Leitsatz (amtlich)

1. Der Mandant, der seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten einen Rechtsmittelauftrag mit E-Mail zuleitet, handelt schuldhaft, wenn die E-Mail-Nachricht den Rechtsanwalt wegen eines Eingabefehlers nicht erreicht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsfrist ist in einem solchen Fall nicht zu gewähren.

2. Auch bei einer korrekten Adressierung der E-Mail-Nachricht darf der Mandant nicht wegen der Absendung der E-Mail allein auf deren ordnungsgemäßen Zugang beim Adressaten vertrauen. Vielmehr handelt nur derjenige nicht schuldhaft i.S.d. § 233 ZPO, der zusätzliche Kontrollmaßnahmen vornimmt, für die die Anforderungen allerdings nicht zu hoch angesetzt werden dürfen.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 3 O 256/00)

 

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das am 19.3.2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Kleve wird verworfen.

3. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

4. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Gründe

I. Mit Urt. v. 19.3.2002 hat das LG Kleve die im Wesentlichen auf Zahlung von Werklohn gerichtete Klage des Klägers in vollem Umfang abgewiesen. Das Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.3.2002 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 21.5.2002, eingegangen beim OLG Düsseldorf an demselben Tag, haben die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers Berufung eingelegt und diese begründet. Gleichzeitig haben sie die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, sein erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter habe ihm mit E-Mail vom 25.3.2002 sowie zusätzlich auf dem Postweg mit Schreiben von demselben Tag die Erfolgsaussichten der Berufung erläutert und ihm – zutreffend – den 22.4.2002 als den Tag genannt, an dem die Berufungsfrist abläuft. Daraufhin habe er an seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 4.4.2002 den Auftrag erteilt, Berufung einzulegen. Dieses Schreiben habe er an demselben Tag als Anhang zu einer E-Mail abgesandt, es sei aber bei seinem Prozessbevollmächtigten nicht angekommen. Nachdem er längere Zeit nichts mehr von dem Fortgang der Angelegenheit gehört habe, habe er mit E-Mail vom 13.5.2002 bei seinem Prozessbevollmächtigten nach dem Stand der Bearbeitung nachgefragt. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Rechtsmittelauftrag nicht eingegangen sei.

Der Kläger beantragt neben der Ankündigung eines Berufungsantrags,

1. ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

2. ihm Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz zu gewähren und ihm Rechtsanwalt Dr. H. beizuordnen,

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren noch nicht Stellung genommen.

II. 1. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO n.F. zu verwerfen, weil sie nicht in der Monatsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Die Berufungsfrist lief am 22.4.2002 ab, während die Berufungsschrift erst am 21.5.2002 beim OLG einging.

2. Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren. Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten, nämlich dass er die Sorgfaltspflichten eingehalten hat, die einen Mandanten bei Erteilung eines Rechtsmittelauftrags per E-Mail treffen.

Dabei geht der Senat mit Blick auf die eidesstattlichen Versicherungen des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers und seiner Angestellten einerseits sowie der Frau K. und des Klägers andererseits davon aus, dass der Kläger zwar einen Sendeversuch unternommen hat, die E-Mail den Rechtsanwalt aber nicht erreicht hat. Der Kläger hat aber nicht in ausreichendem Umfang ausgeräumt, dass von ihm verschuldete Fehler die Ursache waren.

a) Einen unbemerkt gebliebenen Defekt des Computers will der Kläger als Ursache der unterbliebenen Übermittlung offenbar nicht behaupten. Diese Störung ist später aufgetreten und hindert das derzeitige Abrufen damals gespeicherter Daten. Am 13.5.2002, dem Datum der Nachfrage bei dem Prozessbevollmächtigten, funktionierte der Computer aber jedenfalls noch.

b) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei der Adressierung der E-Mail kein Eingabefehler, der ihm als fahrlässig zuzurechnen wäre, unterlaufen ist. Derartige Tippfehler stellen in der Praxis den häufigsten Grund dafür dar, dass eine E-Mail den Empfänger nicht erreicht, weil hier bereits kleinste Abweichungen von der korrekten Adresse eine ordnungsgemäße Übermittlung nicht nur erschweren, sondern ausschließen. Dies stellt einen erheblichen Unterschied bei den Übermittlungsrisiken zwischen einer E-Mail und einem auf dem Postweg versandten Schreiben dar. Bei letzterem verhindert ein kleinerer Schreibfehler in aller Regel die Übermittlung nicht, sondern verz...

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