Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 16 T 268/21)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 17.03.2022 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstatte.

 

Gründe

I. Die nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG statthafte und vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde der beteiligten Landeskasse ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf keiner Rechtsverletzung i.S.v. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 2 RVG i.V.m. §§ 546, 547 ZPO.

Das Landgericht hat seiner Entscheidung die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt, dass es jedenfalls im Falle eines elektronisch eingereichten Vergütungsfestsetzungsantrags keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung der Beratungshilfevergütung des die Beratungsleistung erbringenden Rechtsanwaltes ist, dass der Beratungshilfeschein im Original eingereicht wird (so auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 01.04.2022 - 12 W 25/22 - juris Rn. 8; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.12.2019 - 9 W 30/19 - juris Rn. 10).

Dem steht nicht entgegen, dass das vom Rechtsanwalt nach § 1 Nr. 2 BerHFV bei Antragstellung grundsätzlich zu verwendende Formular (Anlage 2 zu § 1 BerHFV) eine von der Beratungsperson abzugebende Erklärung vorsieht, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Text in einem zu verwendenden Formular überhaupt eine Rechtsnorm darstellt, durch welche ein Antragsteller zur Vorlage bestimmter Unterlagen verpflichtet werden kann (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 01.04.2022 - 12 W 25/22 - juris Rn. 10; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.12.2019 - 9 W 30/19 - juris Rn. 12). Eine Pflicht, den Beratungshilfeschein im Original vorzulegen, findet sich weder in den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zur Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung (§ 55 RVG), noch in den Vorgaben des Beratungshilfegesetzes (BerHG) oder den Vorschriften der auf Grundlage von § 11 RVG erlassenen Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV).

Selbst wenn man in der Formulierung in dem amtlichen Formular eine verbindliche Rechtsnorm sieht, hätte diese als einfache Rechtsverordnung hinter höherrangigen Gesetzesrecht zurückzutreten (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 01.04.2022 - 12 W 25/22 - juris Rn. 11; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.12.2019 - 9 W 30/19 - juris Rn. 12). §§ 12b Satz 2 RVG, 8 Abs. 1 Satz 1 BerHG, 14 Abs. 2 FamFG eröffnen ausdrücklich die Möglichkeit, Anträge als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dies schließt unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Regelungen zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs auch dazugehörige Anlagen ein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch ein (gleichrangiges) Gesetz die Vorlage bestimmter Urkunden oder Nachweise im Original angeordnet wird. Dies ist jedoch - wie bereits ausgeführt - hinsichtlich der Vorlage des Beratungshilfescheins nicht der Fall.

Insoweit bedarf es - entgegen der Ansicht des Landgerichts - keines Rückgriffs auf die Bestimmungen in der Allgemeinverfügung des Justizministeriums über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung (vom 30. Juni 2005, Az. 5650 - Z. 20), so dass dahingestellt bleiben kann, ob sich auch aus dieser eine Entbehrlichkeit der in dem Formulartext vorgesehenen Vorlage des Beratungshilfescheins im Original ergibt.

Im Ergebnis bedarf es einer Vorlage des Beratungshilfescheins durch den Rechtsanwalt nur dann, wenn dies zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen der geltend gemachten Vergütung nach §§ 55 Satz 1 RVG, 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO geboten erscheint. Hierfür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2 u. 3 RVG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 15290308

AGS 2022, 375

VRR 2022, 4

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