Leitsatz (amtlich)

1. Die Voraussetzungen für die Auszahlung der Neuwertspitze in der Gebäudeversicherung liegen bei Vereinbarung einer strengen Wiederherstellungsklausel auch dann vor, wenn anstelle eines zweigeschossigen Wohnhauses ein Bungalow mit Flachdach erstellt wird.

2. Bei dem gebotenen Größenvergleich findet § 2 Absatz 3 Wohnflächenverordnung keine Anwendung.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1954/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 12.12.2017 - 3 O 1954/17 - aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 79.647,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.07.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,87 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2017 hieraus zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckendes Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 79.647,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung des Neuwertanteiles aus einer Gebäudeversicherung. Sie ist Alleinerbin ihres Ehemannes K. S., für dessen Grundstück A...straße xxx in L. ihr Sohn N. S. (Versicherungsnehmer) bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (Neuwert) beginnend zum 01.12.2002 abgeschlossen hat. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Wohngebäudeversicherung (VGB) 2001 zugrunde. § 27 Nr. 6 hat folgenden Wortlaut:

Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellt, daß er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sache in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen...

Am 31.12.2010 wurde das in Rede stehende Gebäude durch einen Brand stark beschädigt. Die Ursache konnte nicht ermittelt werden. Die Beklagte ermittelte einen Zeitwert für das Wohnhaus i.H.v. 144.099,13 EUR netto und einen Bruttoneuwert von 223.746,13 EUR. Der Senat hat mit Urteil vom 24.03.2015 (4 U 1292/14) die Beklagte zur Zahlung des Zeitwertschadens i.H.v. 144.099,13 EUR verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin weitere 79.647,00 EUR zu zahlen, sofern diese innerhalb von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils sichergestellt hat, dass sie die Entschädigung verwenden wird, um ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das am 31.12.2010 zerstörte an bisheriger Stelle wiederherzustellen. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.01.2016 zurückgewiesen. Bei dem zerstörten Gebäude handelte es sich um ein Einfamilienhaus mit Satteldach, Keller (53,88 qm), Erdgeschoss (56,37 qm) und Dachgeschoss (49,83 qm) sowie einem ausgebauten Bodenraum, der als Kinderzimmer und Abstellraum genutzt wurde (Gutachten vom Brandschaden des Sachverständigen L., Anlage K 8). Das Gebäude verfügte über Wohnzimmer, Küche, Arbeitszimmer, Gäste-WC, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Bad mit WC sowie ausgebautem Dachboden. Zum Zeitpunkt des Brandschadens war das Haus an den Sohn der Klägerin N. S. und dessen damals minderjährige Tochter vermietet.

Die Klägerin lässt auf dem Grundstück ein neues Gebäude an der gleichen Stelle errichten. Es handelt sich um einen einstöckigen Bungalow mit Flachdach und ohne Keller. Die Wohnfläche wird in der Leistungsbeschreibung mit ca. 160 qm und in den Plänen mit ca. 136,95 qm angegeben. Beabsichtigt ist die Weitervermietung an den Sohn der Klägerin N. S. und dessen Lebensgefährtin zu Wohnzwecken. Das neue Gebäude soll über eine offene Küche mit Esszimmer, ein Wohnzimmer, ein Kaminzimmer, ein Gästezimmer, ein Gästebad/WC, einen Hauswirtschaftsraum, ein Schlafzimmer nebst Ankleide sowie ein Bad/WC verfügen (Bl. 90 dA.). Der umbaute Raum des zerstörten Gebäudes betrug 492,66 m3 und der des neu geplanten Gebäudes beträgt 464 m3.

Die Klägerin stellte am 14.03.2017 einen Bauantrag, dessen Vollständigkeit am 12.05.2017 bestätigt wurde. Die Baugenehmigung wurde am 17.06.2017 erteilt. Die Klägerin schloss am 13.06.2017 mit der Fa. Naturstein W. einen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses (Bl. 34 ff.). Als Baubeginn wurde der 01.08.2017 vereinbart.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Auszahlung der Neuwertentschädigung liegen vor. Sie beabsichtige, ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das zerstörte zu errichten und habe die Sicherstellung der Wiederherstellung innerhalb von ...

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