Leitsatz (amtlich)

1. Es stellt keinen urheberrechtsfreien Empfang dar, wenn über eine Gemeinschaftsantenne empfangene Fernseh- oder Hörfunksignale durch ein Kabelnetz an die Mitglieder eines in einem Stadtteil angesiedelten Vereins übertragen werden, dessen Hauptzweck in der Kabelweitersendung besteht.

2. Eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG an eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten wird nicht allein durch die Anschlüsse an eine Gemeinschaftsantenne und das unter den Vereinsmitgliedern gleichgerichtete Interesse an einer Kabelweitersendung ausgeschlossen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 24.03.2016; Aktenzeichen 05 O 3478/13)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des LG Leipzig vom 24.3.2016, Az. 5 O 3478/13, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie geht im Wege der Stufenklage gegen den Beklagten vor, der über eine Gemeinschaftsantenne empfangene Sendesignale durch ein Kabelnetz ohne die erforderlichen Nutzungsrechte weiterübertragen habe.

Der Beklagte, ein 1987 entstandener, seit 2011 eingetragener Verein, nutzt und unterhält eine Großgemeinschafts-Antennengemeinschaft. D. im Stadtteil xxx von D. mit ca. 600 angeschlossenen Empfangsgeräten.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Beklagte verletze mit der Weiterleitung der Sendesignale das Kabelweitersenderecht der von ihr vertretenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten. Der Beklagte habe dabei geschützte Werke und Leistungen durch eine Kabelweitersendung ohne eine entsprechende Lizenz öffentlich wiedergegeben.

Das LG hat mit Teilurteil vom 24.3.2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, den Beklagten verurteilt,

1. der Klägerin getrennt nach Kalenderjahren und beginnend mit dem 01.01.2003 Auskunft zu erteilen über den Umfang der im Rahmen des Geschäftsbetriebs vorgenommenen Kabelweitersendungshandlungen bezogen auf Kabelnetze, an die jeweils mehr als 75 Wohneinheiten angeschlossen waren/sind, unter Angabe der Anzahl der je Kabelnetz direkt versorgten Kabelendkunden, des Jahres der Inbetriebnahme des jeweiligen Kabelnetzes sowie der jeweils erzielten Einnahmen, insbesondere unter Angabe

a) der laufenden Entgelte für Kabelanschlüsse, wenn sie nicht ausschließlich für andere Zwecke als die Bereitstellung von Rundfunkprogrammen durch den Beklagten dienen ("Kabelanschlussentgelte"),

b) der Signalbezugsentgelte, die der Beklagte von nicht mit ihr verbundenen nachgelagerten Kabelnetzbetreibern erhält, jeweils einschließlich der Umsätze, die mit der Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in Abschattungsgebiete zusammenhängen, sowie der Umsätze, die zusätzlich zu den Kabelanschlussentgelten wiederkehrend für die gesonderte Freischaltung eines verschlüsselten digitalen Free-TV-Paketes erwirtschaftet werden, sowie anderer Entgelte oder Gegenleistungen, soweit sie aus Endkunden-Sicht wirtschaftlich an die Stelle der sonstigen Kabelanschlussentgelte oder Signalbezugsentgelte treten.

2. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 651,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2014 zu bezahlen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er sieht die Nutzung der Gemeinschaftsantennenanlage durch die Mitglieder als urheberrechtsfreien Privatempfang für die erschlossenen Wohneinheiten an. Bei den Mitgliedern handele es sich um Personen einer abgegrenzten privaten Gruppe, so dass eine öffentliche Wiedergabe nicht vorliege. Die Konstellation sei mit dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.09.2015 (BGHZ 206, 365 - Ramses) zugrundeliegenden Fall vergleichbar, nach dem im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei 343 versorgten Wohneinheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht von einer vergütungspflichtigen Kabelweitersendung ausgegangen worden sei.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Leipzig vom 24.3.2016, Az.: 5 O 3478/13, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die Sitzungsniederschrift und wechselseitigen Schriftsätze mitsamt Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LG der Stufenklage auf der Auskunftsstufe stattgegeben und den Beklagten zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verurteilt.

A. Die Stufenklage ist zulässig. Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahre...

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