Leitsatz (amtlich)

1. Durchgriffsansprüche von Vereinsgläubigern gegen Mitglieder eines eingetragenen Vereins wegen Missbrauchs der Rechtsform können im Falle der Insolvenz des Vereins entsprechend § 93 InsO nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

2. Der Insolvenzverwalter kann die ihm gem. §§ 92, 93 InsO zustehende Einziehungsbefugnis nicht wirksam an den materiellen Forderungsinhaber zurück übertragen.

3. Mitglieder eines personalistisch strukturierten eingetragenen Vereins, der sich über das sog. Nebenzweckprivileg hinaus in erheblichem Umfang wirtschaftlich betätigt, haften wegen Missbrauchs der Rechtsform jedenfalls dann akzessorisch für sämtliche Vereinsverbindlichkeiten, wenn sie Kenntnis von der wirtschaftlichen Betätigung haben und dieser keinen Einhalt gebieten.

 

Normenkette

BGB §§ 21-22; InsO §§ 92-93

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 06.04.2004; Aktenzeichen 10 O 5117/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.12.2007; Aktenzeichen II ZR 239/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Dresden vom 6.4.2004 (10 O 5117/02) im Kostenpunkt - ausgenommen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), 2) und 7) - aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagten zu 3), 4), 5) und 6) werden als Gesamtschuldner verurteilt, 707.658,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 84.130,95 EUR seit 1.5.2000, 1.6.2000, 1.7.2000, 1.8.2000, 1.9.2000, 1.10.2000, 1.11.2000 und 1.12.2000, aus 20.787,66 EUR seit dem 10.3.2005 sowie aus 13.823,40 EUR seit dem 10.1.2005 an Rechtsanwalt V., in dessen Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V., Schuld befreiend leistbar auf das Massekonto bei der X. AG zu zahlen.

2. Der in Ziff. 3. des Klageantrages hilfsweise in Höhe weiterer 3.578.012,16 EUR nebst Zinsen geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Klage sich gegen die Beklagten zu 3), 4), 5) und 6) richtet.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

I. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die in der Berufungsinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2). Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagten zu 3), 4), 5) und 6) können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Europäischen Union zugelassenen Kreditversicherers oder Kreditinstituts erbracht werden.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert der Berufung: 4.285.670,82 EUR.

Inhaltsübersicht

A. Sachverhaltsschilderung

I. Leasingvertrag über Schloss ...

II. Die Kolping-Organisationen

III. Der KBS e.V.

IV. Großprojekte des KBS e.V.

V. Abtretung und "Freigabe durch Verwalter"

VI. Streitiges Vorbringen in erster Instanz

VII. Entscheidung des LG

VIII. Parteivorbringen in der Berufungsinstanz

B. Zulässigkeit des Teil- und Grundurteils

C. Teilerfolg der Berufung

I. Wahrung des prozessualen Bestimmtheitsgebots

II. Entscheidung über Klageantrag zu 1.

1. Mangelnde Prozessführungsbefugnis gemäß

§ 93 InsO für Ansprüche aus Durchgriffshaftung

a) Anwendbarkeit von § 93 InsO auf Ansprüche aus Existenz vernichtendem Eingriff und wegen Rechtsformmissbrauchs

b) Keine Prozessführungsbefugnis infolge Abtretungsvereinbarung

c) Keine Prozessführungsbefugnis infolge "Freigabe"

1. Keine Prozessführungsbefugnis gem. § 92 InsO für Deliktsansprüche und Forderungen aus § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB

2. Unbegründetheit der Klage aus abgetretenem Recht

a) Prozessführungsbefugnis

b) Materielle Unbegründetheit

4. Unbegründetheit der auf das Schreiben vom 7.12.1997 gestützten Klageforderung

III. Unzulässigkeit der im Klageantrag zu 2) hilfsweise erhobenen Feststellungsklage

1. Zulässigkeit der Klageerweiterung nach § 533 ZPO

2. Mangelndes Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO IV. Teilerfolg des Klageantrags zu 3.

1. Zulässigkeit der Klage

a) Klageerweiterung

b) Prozessführungsbefugnis

2. Teilweise materielle Begründetheit

a) KBS e.V. hat sich wirtschaftlich betätigt

aa) Statuarischer Vertragszweck

bb) Faktisches Verhalten

(1) Umstrukturierung

(2) Betätigungen der einzelnen Gesellschaften

(2.1) Von Kolping-Pro-Aktiva GmbH beherrschte Gesellschaften

(2.1.1) Innovativ Auftragsabwick-lungs GmbH

(2.1.2) Videoprofis P.S. GmbH

(2.1.3) Kolping Interrra-Reisen GmbH

(2.1.4) Kolping-ConCept GmbH

(2.1.5) Kolping-Intermedia GmbH

(2.2) KBS e.V.

(3) Zurechnung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Enkelgesellschaften zu Lasten des KBS e.V.

(3.1) Darstellung von Rechtsprechung und Literatur

(3.2) Zurechnung der wirtschaftlichen Betätigung in den vom KBS e.V. beherrschten vereinsrechtlichen Konzern

(3.2.3) Fehlende strukturelle, ökonomische und organi...

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