Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer kerngleichen Zuwiderhandlung gegen die in einem Vergleich übernommene Unterlassungsverpflichtung besteht regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage.

2. Wird der Post eines Dritten in einem sozialen Netzwerk geteilt und mit einer zustimmenden Anmerkung ("wichtige und richtige Aktion") versehen, macht sich der Verbreiter die darin enthaltenen Äußerungen zu eigen.

3. Juristische Personen des Privatrechts können sich nicht auf die in der Rechtsprechung zur Schmähkritik entwickelten Grundsätze berufen.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 2748/17 EV)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten werden die Urteile des Landgerichts Dresden vom 11.1.2018 zu den Aktenzeichen 1a O 2748/17 EV und 1a O 2749/17 EV abgeändert. Die Anträge der Verfügungsklägerin, die Verfügungsbeklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, den Verfügungskläger als "Schlepper" bzw. "D. Schlepperorganisation" und den Verfügungsbeklagten zu 1) darüber hinaus zu verurteilen, den Verfügungskläger als "Schlepper-NGO M..." zu bezeichnen, werden abgelehnt.

2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Unterlassung von Äußerungen, die in einem Facebook-Post der sog. Identitären Bewegung D. enthalten sind, wie er nachstehend wiedergegeben wird. In der vom Verfügungskläger (Kläger) zu den Gerichtsakten gereichten Fassung fehlt auf der Facebook-Seite des Verfügungsbeklagten zu 2) der letzte Satz. Die Beklagten haben auf ihren jeweiligen Facebook-Seiten diesen Post mit dem Zusatz "wichtige und richtige Aktion" geteilt. Auf beiden Facebook-Seiten ist der Post zwischenzeitlich wieder gelöscht worden.

((Abbildung))

Das Landgericht hat mit den angefochtenen Entscheidungen unter Zurückweisung eines weitergehenden Verfügungsantrages zwei im Wesentlichen gleichlautende einstweilige Verfügungen erlassen, mit denen den Beklagten untersagt wird, den Kläger als "Schlepper", "Schlepperorganisation" und "Schlepper-NGO" zu bezeichnen. Es handele sich bei diesen Äußerungen um Meinungsäußerungen, die allerdings als Schmähkritik zu bewerten seien, weil es ausschließlich um die Diffamierung des Klägers gehe. Mit den hiergegen gerichteten Berufungen vertreten beide Beklagten die Auffassung, die Annahme einer Schmähkritik sei rechtsfehlerhaft und beeinträchtige sie in ihrer Meinungsfreiheit.

Sie beantragen jeweils sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts Dresden vom 11.1.2018 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, soweit nicht bereits das Landgericht den Antrag rechtskräftig abgelehnt hat.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten jeweils zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtenen Urteile, vertritt allerdings die Auffassung, bei verständiger Würdigung seien die angefochtenen Äußerungen bereits als unwahre Tatsachenbehauptungen zu verstehen, an deren Aufrechterhaltung kein geschütztes Interesse bestehe. Zur Auslegung sei nicht nur der zu den Gerichtsakten gereichte Teil, sondern der Gesamtartikel heranzuziehen.

Der Senat hat die beiden Verfahren 4 U 217/18 und 4 U 218/18 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

II. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Landgerichts Dresden vom 11.1.2018 sind zulässig und haben auch in der Sache Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten zu 2) (P. Förderverein) war, soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, als unzulässig (1.), der gegen den Beklagten zu 1) (S. D.) gerichtete Antrag insofern als unbegründet (2.) zurückzuweisen.

1. Für den gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Verfügungsantrag auf Untersagung, den Kläger als "Schlepper" und "Schlepperorganisation" zu bezeichnen, fehlt infolge des zum Az. 3 O 2564/16 EV am 10.1.2017 vor dem Landgericht geschlossenen Vergleichs das Rechtsschutzbedürfnis. Im Verhältnis zu der dort eingegangenen Verpflichtung, es zu unterlassen, den Kläger als "kriminell agierende, private Schlepperorganisation" zu bezeichnen, handelt es sich bei den noch streitgegenständlichen Äußerungen um kerngleiche Verletzungshandlungen. Der Verbotsbereich eines auf eine konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungstitels erstreckt sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch auf Abwandlungen der konkreten Verletzungsform, in denen das Charakteristische des titulierten Verbots zum Ausdruck kommt und die bereits Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen sind (vgl. zuletzt BGH GRUR 2017, 208 Urteil vom 29. 09. 2016 - I ZB 34/15 Rn. 35 - juris; so auch Senat, Beschluss vom 14. Februar 2017 - 4 U 195/17 -, juris). Dies ist auch hier der Fall. Dass hier der Begriff der "Schlepper" und "Schlepperorganisation" nicht zusätzlich mit dem Attribut "kriminell agierend" versehen wird, ändert hieran schon deswegen nichts, weil bereits die Bezeichnung als Schlepper zumindest nach dem Verständnis des hier anges...

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