Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht: Anforderungen an die Darlegungen der Identifizierung eines Verkehrsteilnehmers anhand eines Beweisfotos

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sieht der Tatrichter von der die Abfassung der Urteilsgründe erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er die von ihm - oder einem Sachverständigen - zur Identifizierung herangezogenen abstrakten Merkmale auflistet.

2. Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. In diesem Fall muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird.

3. Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale kann dabei umso kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muss die Beschreibung umso mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern.

 

Verfahrensgang

AG Döbeln (Urteil vom 04.10.1999; Aktenzeichen 3 OWi 151 Js 9674/99)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Döbeln hat am 4. Oktober 1999 den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h außerhalb der geschlossenen Ortschaft zu einer Geldbuße von 200,00 DM verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:

"Der Betroffene fuhr am 01.07.1998 um 17.42 Uhr auf der 3 159 aus Richtung Riesa kommend außerhalb der geschlossenen Ortschaft in Höhe der Einmündung Richtung Forchheim mit dem: Pkw ... amtliches Kennzeichen ... . Abzüglich des Toleranzwerts von 4 km/h betrug seine Geschwindigkeit 111 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war durch Verkehrszeichen 274/276 beschränkt auf 70 km/h. Bei der erforderlichen und der dem Betroffenen zumutbaren Sorgfalt hätte dieser seine Geschwindigkeitsüberschreitung bemerken und unterlassen können." (UA S. 3)

Zur Beweiswürdigung hinsichtlich der Fahrereigenschaft des Betroffenen führt das Amtsgericht Folgendes aus:

"Das Gericht ist aufgrund der Inaugenscheinnahme der bei der Messung gefertigten Lichtbilder einerseits und der Inaugenscheinnahme des Betroffenen andererseits davon überzeugt, dass der Betroffene das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt hat. Dafür spricht auch insbesondere das anthropologische Gutachten des Sachverständigen Dr. ... . Der Sachverständige hat in seinem in der Hauptverhandlung vom 04.10.1999 mündlich vorgetragenen Gutachten festgestellt, dass der Betroffene mit dem auf den Lichtbildern Blatt 15 und 16 d.A. abgebildeten Fahrer identisch ist. Der Sachverständige hat zunächst aus dem bei der Messung angefertigten Videofilm verschiedene Fotos des auf den Messbildern Blatt 15 und 16 d.A. abgebildeten Fahrers angefertigt. Anhand dieser Fotos hat der Sachverständige dann 18 Einzelmerkmale des abgebildeten Gesichtes erfasst. In der Hauptverhandlung überprüfte er nach Inaugenscheinnahme des Betroffenen, ob das Gesicht des Betroffenen ebenfalls die erfassten Merkmale aufweist, oder ob und wieviele Abweichungen gegebenenfalls vorliegen. Der Sachverständige kam in der Hauptverhandlung zum Ergebnis, dass von den erfassten 18 Einzelmerkmalen keine Abweichungen im Gesicht des Betroffenen vorliegen. Aufgrund der völligen Übereinstimmung der erfassten Einzelmerkmale kam der Sachverständige zum Ergebnis, dass der Betroffene und der auf den Lichtbildern Blatt 15 und 15 d.A. abgebildete Fahrer identisch sind. Der Sachverständige ist dem Gericht aus zahlreichen Gerichtsverhandlungen als kompetent und erfahren bekannt. Der Sachverständige macht ausschließlich anthropologische Gutachten bei Gerichten. Das Gericht hat auch keinen Zweifel daran, dass - wie vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung klargestellt - ein dreidimensionaler Vergleich von Merkmalen im Gesicht des Betroffenen in der Hauptverhandlung mit zweidimensional erfassten Merkmalen aufgrund der Erfahrung des Sachverständigen und der großen Anzahl bereits gefertigter Gutachten möglich ist. Die vom Sachverständigen erfassten Merkmale sind der

- Stirnbereich (incl. Haaransatz und Stimkortur),

- Nasenwurzel (Übergang glabella),

- Augenbrauen (Verlauf, Dichte und Höhe),

- Oberlidregion (Lidspalte),

- Nasenrückenprofilierung (einschl. Nasenkuppe),

- Nasenflügelregion (incl. Nasenflügelunterrand),

- Hautoberlippe (incl. Philtrum),

- Mundspalte (Schleimhautl...

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