Verfahrensgang

AG Dresden (Aktenzeichen 435 VI 3727/22)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dresden - Nachlassgericht - vom 17.04.2023 wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 32.000,00 EUR

 

Gründe

I. A. (im Folgenden: Erblasserin) verstarb am ... 2022. Im Zeitpunkt ihres Todes war die Erblasserin in zweiter Ehe mit dem Beteiligten zu 2 verheiratet. In erster Ehe war die Erblasserin mit E. verheiratet; die Ehe wurde geschieden. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder, die Beteiligten zu 1 und 3, hervor.

Mit notarieller Urkunde des Notars ... vom 21.09.2022 (UV-Nr. B. ...) beantragten die Beteiligten die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der den Beteiligten zu 2 als Erben zu 1/2 und die Beteiligten zu 1 und 3 als Erben zu je 1/4 ausweist. Mit Verfügung vom 10.03.2023 wies das Amtsgericht Dresden - Nachlassgericht - darauf hin, dass gemäß § 352 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 4 FamFG durch öffentliche Urkunde nachgewiesen werden müsse, dass die erste Ehe der Erblasserin geschieden worden sei. Die Beteiligten hielten dies nicht für geboten, da die Erblasserin zum Todeszeitpunkt erneut verheiratet gewesen sei.

Daraufhin wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 17.04.2023 zurück, da es an dem gesetzlich geforderten Nachweis, dass die erste Ehe geschieden sei, fehle. Auch wenn nach § 1306 BGB bei der Schließung einer zweiten Ehe die Ehefähigkeit nachgewiesen werden müsse, sei nicht ausgeschlossen, dass Eheschließungen trotz Fortbestand einer vorhergehenden Ehe erfolgten. Wäre aber die frühere Ehe nicht geschieden worden, wäre E. erbberechtigt. Deshalb gehöre er auch zum Personenkreis des § 352 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 2 FamFG. Die Beteiligten hätten deshalb die behauptete Scheidung durch öffentliche Urkunde nachzuweisen. Dies sei nicht geschehen.

Gegen die am 24.04.2023 zugestellte Entscheidung legten die Beteiligten am 25.04.2023 Beschwerde ein. Der geschiedene Ehegatte der Erblasserin gehöre nicht zum Personenkreis des § 352 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 FamFG, da sie im Zeitpunkt ihres Todes mit einer anderen Person, dem Beteiligten zu 2, verheiratet gewesen sei. Ein zweiter Ehegatte sei damit denklogisch ausgeschlossen. Der geforderte Urkundsbeweis könne deshalb nicht verlangt werden.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 02.05.2023 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins versagt.

1. Wer die Erteilung eines Erbscheins beantragt, hat nach § 352 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 FamFG anzugeben, ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde. Im Falle des Wegfallens einer Person, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen sein oder sein Erbteil gemindert werden würde, hat er gemäß § 352 Abs. 1 Satz 2 FamFG anzugeben, in welcher Weise die Person weggefallen ist. Die Richtigkeit der entsprechenden Angaben ist grundsätzlich durch öffentliche Urkunden nachzuweisen (§ 352 Abs. 3 FamFG).

2. Im vorliegenden Falle ist die Auflösung der vorhergegangenen Ehe der Erblasserin für den Umfang des Erbrechts des Beteiligten zu 2 von Bedeutung. Für den - fernliegenden, aber nicht mit letzter Sicherheit auszuschließenden - Fall, dass die Erblasserin bei der Eheschließung mit dem Beteiligten zu 2 noch mit E. verheiratet gewesen sein sollte, wäre die mit der Beteiligten zu 2 geschlossene Ehe aufhebbar (§§ 1306, 1314 Abs. 1 BGB); bis zur Aufhebung ist die Ehe wirksam. Auf den Bestand der früher geschlossenen Ehe hat sie allerdings keine Auswirkung. Demgemäß steht in einem solchen Fall bis zur Aufhebung der Zweitehe (§ 1318 BGB) beiden Ehegatten das gesetzliche Ehegattenerbrecht je zur Hälfte zu (Schiefer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 1318 BGB (Stand: 15.11.2022), Rn. 22; Weidlich in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 1931 Rn. 14). Das bedeutet, dass bei einer solchen Doppelehe das gesetzliche Ehegattenerbrecht des Beteiligten zu 2 mindestens um die Hälfte vermindert sein könnte. Demgemäß ist es für den Umfang des in Anspruch genommenen gesetzlichen Ehegattenerbrechts von Bedeutung, ob im Zeitpunkt der Eheschließung des Beteiligten zu 2 mit der Erblasserin ihre frühere Ehe rechtswirksam aufgelöst war, und deshalb der Nachweis erforderlich, dass die frühere Ehe der Erblasserin rechtswirksam aufgelöst wurde (zum Ganzen: KG Berlin, Beschluss vom 28.09.1976 - 1 W 2616/76).

3. Die Scheidung der früheren Ehe haben die Beteiligten grundsätzlich durch Vorlage öffentlicher Urkunden nachzuweisen (§ 352 Abs. 3 FamFG). Insoweit trifft sie als Antragsteller im Erbscheinsverfahren die Beibringungslast. Das Scheidungsurteil wäre ein formgerechter Nachweis (Zimmermann in: Zimmermann, Erbschein - Erbscheinsverfahren - Europäisches Nachlasszeugnis, C. Der Erbscheinsan...

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