Leitsatz (amtlich)

1. Besteht der Verdacht, dass die elterliche Sorge der gem. § 1626a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigten Mutter wegen Geschäftsunfähigkeit ruht und kommt daher die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater gem. § 1678 Abs. 2 BGB in Betracht, ist der Richter für das gesamte Verfahren einschließlich der Prüfung der Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge zuständig.

2. Die Bestellung eines Vormunds kommt in diesen Fällen erst in Betracht, wenn feststeht, dass dem Vater die elterliche Sorge nicht übertragen wird.

3. Die unter Auslassung der Prüfung, ob die elterliche Sorge auf den Vater zu übertragen ist, erfolgte Anordnung der Vormundschaft durch den Rechtspfleger ist wegen der Missachtung des Richtervorbehalts unwirksam.

 

Verfahrensgang

AG Bautzen (Beschluss vom 06.10.2011; Aktenzeichen 54 F 618/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bautzen vom 6.10.2011, 54 F 618/11, aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das AG - Familiengericht - Bautzen zurückverwiesen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

Gründe

I. Das AG hat mit dem angegriffenen Beschluss das Jugendamt für die betroffenen Kinder A M, geboren am.., und A -E, geboren am.., zum Vormund bestellt.

Die Mutter und der Vater von A, der vom AG nicht am Verfahren beteiligt worden ist, haben bis Anfang 2010 zusammengelebt. Nach Angaben der Mutter ist der Vater von A auch der Vater von A -E. Die Vaterschaft für A -E wurde jedoch nicht anerkannt.

Die Mutter steht unter Betreuung. Für sie ist eine Betreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie für Wohnungs- und Heimangelegenheiten bestellt worden. Das im Betreuungsverfahren eingeholte Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass bei der Mutter eine leichte intellektuelle Minderbegabung vom Grade einer Lernbehinderung vorliege. Diese Minderbegabung stelle eine geistige Behinderung i.S.d. § 1896 BGB dar. Zusätzlich lägen eine Alkoholabhängigkeit mit instabiler Abstinenz und eine Polytoxikomanie vor, also psychische Krankheiten im Sinne des Betreuungsrechts. Wegen der geistigen Behinderung sei von einer aufgehobenen Geschäftsfähigkeit auszugehen.

Das Familiengericht hat, durch den Rechtspfleger, am 25.7.2011 in einem Aktenvermerk festgestellt, dass die elterliche Sorge der Mutter für ihre drei Kinder ruhe, da sie geschäftsunfähig sei (die elterliche Sorge für das dritte in der Feststellung genannte Kind ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, ebenso nicht die elterliche Sorge für ein viertes Kind der Mutter). Diese Feststellung ist formlos der Mutter, dem Vater des hier nicht beteiligten in der Feststellung benannten Kindes der Mutter sowie dem Jugendamt übersandt worden.

Mit Beschluss vom 6.10.2011 hat das AG durch den Rechtspfleger Vormundschaft für die beiden Kinder angeordnet und das Jugendamt als Vormund bestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es habe bereits am 25.7.2011 die Feststellung getroffen, dass die elterliche Sorge der Mutter ruhe (§ 1673 Abs. 1 BGB). Die Mutter habe für beide Kinder die alleinige elterliche Sorge inne. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der Vormundschaft gem. § 1773 Abs. 1, Alt. 2 BGB vor. Eine als ehrenamtlicher Einzelvormund geeignete Person sei nicht vorhanden.

Hiergegen wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Der Beschluss, das Jugendamt als Vormund für die Kinder einzusetzen, entziehe der Mutter jegliche Motivation und lasse sie zweifeln, jeweils mit ihren Kindern selbständig leben zu können. Die Betroffene lebe mit ihren Kindern in einer betreuten Mutter-Kind-Einrichtung und werde hier bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder unterstützt. Die Entwicklung der Mutter werde intensiv vom Jugendamt betreut und überwacht.

II. Die Beschwerde der Mutter ist zulässig. Insbesondere bestehen im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit keine Bedenken, da die Beschwerde auch von der Betreuerin der Mutter unterschrieben ist (§ 9 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 53 ZPO).

Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG. Denn es hat verfahrensfehlerhaft der funktionell nicht zuständige Rechtspfleger entschieden.

1. Die Entscheidung war jedenfalls hinsichtlich der elterlichen Sorge für A gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 RPflG dem Richter vorbehalten.

Gemäß § 3 Nr. 2 lit. a) RPflG sind Kindschaftssachen nach § 151 FamFG, soweit sie nicht ausdrücklich dem Richter vorbehalten sind, dem Rechtspfleger übertragen. Bei der vorliegenden Vormundschaftssache handelt es sich um eine solche Kindschaftssache (§ 151 Nr. 4 FamFG). Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 RPflG sind dem Richter vorbehalten Entscheidungen u.a. nach § 1678 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem anderen Elternteil zu übertragen, wenn die elterliche Sorge des Elternteils, dem sie nach § 1626a Abs. 2 B...

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