Leitsatz (amtlich)

Die aus einem nicht ausschließbar aktuell fortbestehenden Drogenkonsum der Mutter resultierende abstrakte Gefahr rechtfertigt für sich genommen eine massive Einschränkung des Umgangsrechts mit einem fast 6jährigen Kind nicht. Erforderlich ist vielmehr eine Gefahreneinschätzung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls.

 

Verfahrensgang

AG Dresden (Beschluss vom 07.03.2016; Aktenzeichen 310 F 439/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Jugendamtes gegen den Beschluss des AG Dresden - Familiengericht - vom 07.03.2016, Az.: 310 F 439/16, wird zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Das beschwerdeführende Jugendamt wendet sich gegen die Entscheidung des Familiengerichts, das der Antragstellerin auflagenfreien Umgang mit ihrem Sohn T. alle zwei Wochen von Mittwoch bis Montag zugesprochen hat.

Antragstellerin und Antragsgegner sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 22.09.2010 geborenen Kindes T.. Die Beziehung zwischen den Eltern bestand über mehrere Jahre; ein Zusammenleben in einer Wohnung gab es zu keiner Zeit. Die elterliche Sorge für T. hatte die Mutter zunächst alleine inne. Am 06.05.2014 gaben die Eltern eine gemeinsame Sorgeerklärung ab.

Im Sommer 2014 trennten sich die Eltern. T. blieb weiterhin bei der Mutter. Die Trennung verlief hoch konflikthaft; beide Eltern haben bis heute eine gestörte Kommunikationsbasis.

Die Mutter konsumiert oder konsumierte Crystal. Sie begann damit nach eigenen Angaben wenige Monate nach der Geburt ihres Sohnes. Im Juli 2014 wandte sie sich, unterstützt durch ihre Mutter, an die Drogenberatungsstelle und an das Jugendamt. Es wurde eine Familienhilfe installiert. In einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung einer Kindeswohlgefährdung (Az.: 308 F 3057/14) wurde festgestellt, dass die Mutter ihre Sorgeverantwortung für T. gewissenhaft und sorgfältig wahrnahm und dass Eingriffe in die elterliche Sorge neben der Familienhilfe nicht veranlasst waren.

Vom 17.02.2015 an absolvierte die Mutter eine stationäre Langzeittherapie. T. lebte von diesem Zeitpunkt an vereinbarungsgemäß beim Vater.

Nach einer Unterbrechung im Sommer 2015 setzte die Mutter die Therapie fort, brach sie aber am 24.11.2015 vorzeitig ab, weil sie nach einer Belastungsheimfahrt positiv getestet worden war. Es gab während der gesamten Dauer der Therapie Umgangskontakte zwischen T. und seiner Mutter, die zum Teil auch Übernachtungen einschlossen.

Nach dem (regulären) Ende der Therapie bat die Antragstellerin den Antragsgegner per E-Mail um Information, wann sie T. - der ja nun wieder bei ihr leben werde - abholen könne und wie der Umgang gestaltet werden solle. Der Antragsgegner erwirkte hierauf im Wege der einstweiligen Anordnung eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich (Entscheidung des AG Dresden vom 23.12.2015, Az.: 310 F 4612/15). In der Folge stellte der Antragsgegner den Umgang T. mit seiner Mutter ein.

Mit Beschluss vom 15.01.2016 bestätigte das Familiengericht die einstweilige Anordnung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht nach mündlicher Verhandlung und ordnete im parallel geführten Verfahren der einstweiligen Anordnung zum Umgang (Az.: 310 F 4727/15) einstweilen einen Umgang T. mit seiner Mutter alle zwei Wochen von Mittwoch bis Montag an.

In einer Fachteamberatung im Jugendamt am 11.02.2016 wurde festgelegt, dass vor jedem Umgang die Mutter einen Drogentest durchzuführen habe. Am 02.03.2016, an dem ein regulärer Umgangstermin beginnen sollte, erschien die Mutter nicht zum Drogentest und holte T. als Mittagskind aus dem Kindergarten ab. Ein später mit Hilfe des Verfahrensbeistandes durchgeführter Drogentest ergab ein positives Ergebnis auf MET, AMP und MDA. T. wurde auf Veranlassung des Jugendamtes daraufhin umgehend aus dem Haushalt der Mutter entfernt und dem Vater übergeben.

In der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache Umgang am darauffolgenden Tag hat das Familiengericht den unbegleiteten Umgang von Mittwoch bis Montag bestätigt und das anwesende Kind zur Umgangsdurchführung an die Mutter übergeben. Dass das Kind bei der Mutter Schaden nehmen werde, sei nicht zu erwarten. Auf die Gründe der familiengerichtlichen Entscheidung vom 07.03.2016 wird Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich das Jugendamt mit der Beschwerde. Wenn es keine Möglichkeiten gebe, den Cleanstatus der Mutter vor dem Umgang festzustellen, sei eine Gefährdung des Kindeswohls nicht einschätzbar. Der noch nicht ganz sechsjährige T. sei der Hochrisikogruppe der 0 bis 6-Jährigen zuzurechnen; der Drogenkonsum der Mutter stelle eine latente Gefahr dar (Entzugserscheinungen, Wahnvorstellungen, Beschaffungsdruck). Es müsse daher die Sicherheit des Kindes durch geeignete Maßnahmen gewährleistet werden.

Der Vater wendet sich ebenfalls gegen einen unbegleiteten Umgang.

Die Mutter verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie ha...

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