Leitsatz (amtlich)

Verlängern die Parteien eines Bauvertrages ohne eine Bezugnahme oder Wiederholung der im Bauvertrag vereinbarten Vertragsstrafe die vertraglichen Ausführungsfristen, ist eine solche Vereinbarung im Zweifel dahin auszulegen, dass die ursprünglich vereinbarte Vertragsstrafe nicht aufrechterhalten soll.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 12.01.2004; Aktenzeichen 21 O 132/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.1.2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Hannover abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Berufungswert: 538.704 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Urkundenprozess um die Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem Bauvertrag. Zur näheren Darstellung des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des LG verwiesen (§ 540 ZPO), durch das die Beklagte durch Vorbehaltsurteil im Urkundsverfahren antragsgemäß zur Zahlung verurteilt worden ist. Auf die Entscheidungsgründe wird ebenfalls verwiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Klagabweisung, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung an das LG erstrebt.

Dazu trägt die Beklagte im wesentlichen Folgendes vor:

Sie rügt, die Klägerin habe den Anspruch auf Vertragsstrafe nicht mit den im Urkundenprozess statthaften Beweismitteln dargelegt. Während der ursprünglich vereinbarten Bauzeit seien zahlreiche von der Klägerin zu vertretende Bauzeitbehinderungen eingetreten. Nach der Baubesprechung vom 19.4.1995 (B 20) habe es keinen Gesamtfertigstellungstermin mehr gegeben, weil nur die Fertigstellung einzelner Gewerke gesondert vereinbart worden sei. Es fehle schon deshalb an der Bestimmtheit der Vertragsstrafe und an einem von der Klägerin bewiesenen und bestimmbaren Fertigstellungszeitpunkt. Dazu reiche das Protokoll der Baubesprechung vom 19.4.1995 (B 20) und auch das Schreiben der Klägerin vom 23.2.1996 (B 2) nicht aus. Darüber hinaus hätte die Vertragsstrafe wegen der zahlreichen neuen Termine neu vereinbart werden müssen. Die Beklagte sei auch nicht in Verzug geraten, weil es einer erneuten Mahnung nach Ablauf der verlängerten Bauzeit (Anlage B 2) bedurft hätte. Es fehle auch an einem Nachweis durch Urkunden, um welche Zeitspanne sich die Frist wegen des von der Klägerin nach dem Schreiben vom 23.2.1996 (B 2) eingeräumten Planlieferungsverzuges verlängert habe.

Schließlich habe das LG auch den Wegfall der Vertragsstrafe aufgrund der nachträglichen Änderung der Ausführungsfristen rechtlich unzutreffend verneint.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des Verfahrens die Sache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Zahlung an ING BHF-Bank Aktiengesellschaft; Niederlassung H., ..., zu leisten ist.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage (zumindest als im Urkundenprozess unstatthaft) abzuweisen.

1. Die Klägerin muss im Urkundsprozess grundsätzlich alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden darlegen - das ist jedoch, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht gelungen.

a) Das hat sie zwar zunächst durch Vorlage des Verhandlungsprotokolls vom 14.9.1994, das Schreiben der Beklagten vom 19.9.1994 und den darauf erteilten Bauauftrag vom 30.9.1994 (K 1 bis K 3) getan. Darin war auch die Vertragsstrafe von 0,1 % der Gesamtauftragssumme je Kalendertag, max. 10 %, vereinbart bei einer Bauzeit von 9 Monaten zzgl. Schlechtwettertage und einem Baubeginn frühestens am 15.10.1994. Es handelt sich dabei nach den vorgelegten Vertragsunterlagen um eine individuell ausgehandelte Vertragsstrafe.

Die Höhe der Vertragsstrafe ist nach der Entscheidung des BGH (BGH v. 23.1.2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = BGHReport 2003, 594m. Anm. Siegburg = MDR 2003, 804 = CR 2003, 647) im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden (LGU S. 4). Die Strafe ist auch - wovon beide Parteien auch ausgehen - nicht verschuldensunabhängig formuliert, weil insoweit die Ergänzungsregelung in § 11 Nr. 2 VOB/B gilt (BGH v. 23.1.2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = BGHReport 2003, 594 m. Anm. Siegburg = MDR 2003, 804 = CR 2003, 647).

Die Vereinbarung der Vertragsstrafe ist damit durch Urkunden belegt und im Übrigen insoweit auch nicht im Streit.

b) Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarung eines vertragsstrafebewehrten Termins und der Nachweis des Verzuges. Beides hat die Klägerin durch Urkunden zu belegen (§ 592 ZPO).

Dabei ist zu beachten, dass...

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