Leitsatz (amtlich)

Überträgt der Schuldner Teile seines Vermögens an einen uneigennützigen Treuhänder, so scheidet aus seinem Vermögen lediglich die formelle Rechtsstellung des Treuhänders aus. Diese kann nach Insolvenzeröffnung nicht zurückgewährt werden, weil das Treuhandverhältnis beendet ist.

 

Normenkette

InsO §§ 129, 143

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 18.06.2008; Aktenzeichen 7 O 26/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Verden vom 18.6.2008 geändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 21.652,18 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Verwalter in der am 12.6.2007 beantragten und am 1.10.2007 eröffneten Insolvenz über das Vermögen der E. B. (Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb ein Architekturbüro. Die Beklagte ist die Mutter der Schuldnerin. Die Schuldnerin und die Beklagte vereinbarten Anfang 2007, dass die Beklagte ein auf ihren Namen lautendes Konto bei der P. der Schuldnerin zur eigenen Nutzung u.a. für Überweisungen an das Architekturbüro zur Verfügung stelle. Am 5.2.2007 überwies die Schuldnerin von ihrem Konto bei der D. B. auf das P. 2.900 EUR. Etwa im April 2007 wurde das Geschäftskonto der Schuldnerin bei der H.- und V. gesperrt. Es gelang der Schuldnerin wegen ihrer schlechten Bonität nicht, ein anderes Konto zu eröffnen. In der Zeit vom 2.5. bis zum 16.8.2007 überwiesen Drittschuldner auf das P. insgesamt 18.752,18 EUR. Diese Summe sowie die am 5.2.2007 überwiesenen 2.900 EUR hat der Kläger im Wege der Insolvenzanfechtung nebst Zinsen geltend gemacht. Er hat behauptet, dass die Schuldnerin im Zeitpunkt der Überweisungen zahlungsunfähig gewesen sei. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, für die Schuldnerin sei es notwendig gewesen, ein neues Konto zu eröffnen, um ihren Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Schuldnerin habe daher sie, die Beklagte, gebeten, ein P. zur alleinigen Nutzung der Schuldnerin zu eröffnen. Die Beklagte habe eingewilligt. Tatsächlich sei der Beklagten von dem Kontoguthaben nichts zugute gekommen. Die Schuldnerin habe mit Hilfe der EC-Karte, der PIN-Nummer sowie eines Online-Bankzugangs vollständig allein über das Konto verfügt und das Guthaben für den Geschäftsbetrieb und ihren Lebensunterhalt verwendet.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil wird Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie führt aus, dass die Bedenken des LG gegen das Bestehen einer Treuhandabrede unbegründet seien. Das LG habe verkannt, dass die Beklagte als Treuhänderin, die das Treugut nicht für sich vereinnahmt habe, keinen Wertersatz schulde. Durch die bloße "Zur-Verfügung-Stellung" des Kontos der Beklagten sei es auch nicht zu einer Verkürzung der Aktivmasse bei der Schuldnerin gekommen, so dass es bereits an der Gläubigerbenachteiligung fehle. Im Übrigen wiederholen und vertiefen beide Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Berufung ist begründet.

1. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch steht dem Kläger nicht zu.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückgewähr- oder Wertersatz nach

§§ 129 ff. InsO, weil die Beklagte das P. als uneigennützige Treuhänderin für die Schuldnerin innehatte, ohne von dem Guthaben etwas für sich zu erlangen. Die Beklagte kann sich darauf berufen, dass sie wegen der Verwendung des Guthabens ausschließlich für Zwecke der Schuldnerin entreichert ist.

aa) Die Beklagte war in Bezug auf das P., auf das die vom Kläger beanspruchten Beträge eingezahlt wurden, uneigennützige Treuhänderin.

Die Beklagte hat dargelegt, dass sie das Konto ausschließlich für die Schuldnerin eröffnet habe, damit diese ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten könne; allein die Schuldnerin habe berechtigt sein sollen, über das jeweilige Kontoguthaben zu verfügen. Der Kläger, der dies bestritten hat, ist beweispflichtig dafür, dass die Beklagte mehr als nur die formelle Rechtsstellung eines uneigennützigen Treuhänders erlangte (vgl. BGH NJW 1994, 726). Er hat aber keinen Beweis angetreten. Im Übrigen ist die Treuhandabrede aufgrund der Aussage der Zeugin B. bewiesen. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet: Sie habe befürchtet, dass ein ehemaliger Angestellter ihre bisherigen Bankverbindungen durch vorläufige Zahlungsverbote blockieren werde. Deshalb habe sie bei der P. ein neues Konto eröffnen wollen. Dies sei wegen eines Schufa-Eintrages gescheitert. Daraufhin habe sich die Beklagte - noch vor der Überweisung vom 5.2.2007 - damit einverstanden erklärt, bei der P. ein Konto...

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