Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Kontoinhabers bei einem Girokonto, auf dem der Zahlungsverkehr eines Unternehmens abgewickelt wird, wenn das Konto durch einen Mitarbeiter des Unternehmens auf seinen Namen unter der Anschrift des Unternehmens eingerichtet worden ist.

Zu den Voraussetzungen, unter denen der Mitarbeiter, auf dessen Namen ein solches Konto geführt worden ist, im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens verpflichtet ist, die auf dem Konto gutgeschriebenen Beträge an den Insolvenzverwalter herauszugeben.

 

Normenkette

BGB § 675; InsO § 143 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 04.07.2003; Aktenzeichen 4 O 160/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Lüneburg vom 4.7.2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert und Beschwer des Klägers: 29.993,72 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F. Gaststättenbetriebs GmbH (Schuldnerin). T.B. war bis August 2000 als Hoteldirektor bei der Schuldnerin beschäftigt. Er ist nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens verstorben. Die Beklagten sind seine Erben.

Die Schuldnerin war seit spätestens Juni 2000 zahlungsunfähig. Am 27.10.2000 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit seiner Zustimmung wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Am 1.4.2001 eröffnete es das Insolvenzverfahren.

T.B. hatte am 2.4.1998 auf seinen Namen, jedoch unter der Anschrift der Schuldnerin ein Konto bei der Volksbank S. eröffnet. Über dieses Konto gingen in der Folgezeit Zahlungseingänge und -ausgänge der Schuldnerin. In dem Antrag auf Eröffnung des Kontos heißt es "Objektbezeichnung: w." und "Die Kontoeröffnung erfolgt nach Angaben der/des Antragsteller/s für eigene Rechnung". Am 28.8.1998 und am 11.1.1999 erhielten zwei weitere Mitarbeiter der Schuldnerin Vollmacht für das Konto. Unter dem 18.1.1999 beantragte T.B. eine Änderung dahin, dass als Kontoinhaber nunmehr angegeben war "Herr T.B. w.". Zugleich wurde der Vermerk aufgenommen "Achtung: Kontoinhaber darf nicht mehr alleine verfügen!". Am 4.9.2000 waren zur Verfügung über das Konto der - inzwischen bei der Schuldnerin ausgeschiedene - T.B. und drei Mitarbeiter der Schuldnerin ermächtigt, und zwar jeder von ihnen gemeinsam mit einem anderen der Bevollmächtigten.

Der Kläger erlangte von dem Konto am 28. oder 29.10.2000 Kenntnis.

Vom 31.10.2000 bis zum 9.5.2001 schrieb die Volksbank auf dem Konto 27 Überweisungen i.H.v. insgesamt 58.662,62 DM (= 29.993,72 EUR) gut und nahm diverse Abbuchungen vor, u.a. am 17.4.2001 eine Überweisung an den Kläger i.H.v. 10.000 DM.

Mit Schreiben vom 12.12.2000 informierte der Kläger T.B. über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und über die vom Insolvenzgericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen. Er bat ihn um Mitteilung, weshalb das Konto eingerichtet worden sei. Die Volksbank nahm auf Veranlassung des T.B. am 17.1.2001 eine Kontosperre vor.

Der Kläger hat geltend gemacht: Das Konto sei ein Privatkonto des T.B. gewesen. Er und die Geschäftsführerin der Schuldnerin hätten vereinbart, über das Konto Forderungen der Schuldnerin einzuziehen, damit Gläubiger der Schuldnerin nicht auf das Guthaben zurückgreifen könnten. Bei der Vereinnahmung der Gelder durch T.B. habe es sich um eine Untreue zum Nachteil der Schuldnerin gehandelt, sodass die Beklagten als seine Erben gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB zum Schadensersatz verpflichtet seien. Außerdem hafteten sie gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB und aus § 816 Abs. 2 BGB auf Herausgabe der empfangenen Zahlungen. Ferner stehe dem Kläger ein Rückgewähranspruch gem. §§ 133 Abs. 1, 134 Abs. 1, 143 InsO zu.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an ihn 29.993,72 EUR nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozent über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

T.B. hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, dass er in dem hier interessierenden Zeitraum über das Konto nicht verfügt und auch keine Kenntnisse von den Kontobewegungen gehabt habe. Von dem Konto seien nur Verbindlichkeiten der Schuldnerin getilgt worden.

Das LG hat Beweis erhoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ein Anspruch aus § 133 InsO bestehe nicht, weil ein Benachteiligungsvorsatz fehle. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Zahlungen im Zeitraum vom 31.10.2000 bis zum 9.5.2001 von T.B., der gar nicht mehr im Betrieb der Schuldnerin gearbeitet habe, veranlasst worden seien. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme handele es sich nicht um sein Privatkonto sondern um ein Kont...

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