Leitsatz (amtlich)

1. Kumulieren sich die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers vorgegebene Mängelsicherheit und eine Vertragserfüllungsbürgschaft, die "sämtliche Ansprüche" sichern soll, auf mehr als 6%, führt dies zu einer unangemessenen Übersicherung der Mängelansprüche nach Abnahme und somit zur Nichtigkeit der Sicherungsklausel.

2. Die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers aufgrund eines möglichen Nebeneinanders von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft lässt sich nicht dadurch heilen, dass die Vertragsklauseln jeweils in einen inhaltlich unzulässigen und einen inhaltlich zulässigen Teil zerlegt werden, weil der als wirksam anzusehende Rest im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. November 2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Gewährleistungsbürgschaft auf Kostenvorschuss zur Beseitigung von nach Abnahme aufgetretenen Baumängeln in Anspruch, die die mittlerweile insolvente G. GmbH in L. als Auftragnehmerin der Klägerin verursacht und nicht beseitigt hat.

Am ... Juli 2010 erhielt die G. GmbH den Zuschlag, das Gewerk Fassadenarbeiten für den Neubau des kulturwissenschaftlichen Zentrums in G. durchzuführen. Die Auftragssumme belief sich insgesamt auf 2.562.729,05 EUR. Gegenstand des Bauvertrags waren unter anderem Gewerke an der Haupteingangsanlage. Dem Vertragsverhältnis lagen die Bestimmungen in den Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage K1, Bl. 1 ff. Anlagenband Klägerin) und den Zusätzlichen Vertragsbedingungen (Anlage K2, Bl. 4 ff. Anlagenband Klägerin) zugrunde. Im Übrigen lagen dem Vertragswerk zwischen der Klägerin und der G. GmbH die VOB/B in der Fassung des Jahres 2006 zu Grunde.

In den Besonderen Vertragsbedingungen findet sich in Nr. 4 unter der Überschrift "Sicherheitsleistung (§ 17 VOB/B)" folgende Regelung:

4.1 Stellung der Sicherheit

Satz 1: Sicherheit für die Vertragserfüllung (Zusätzliche Vertragsbedingungen 215 Nr. 22.1) ist in Höhe von 5,0 v. H. der Auftragssumme zu leisten, sofern die Auftragssumme mindestens 250.000 EUR beträgt.

Satz 2: Die für Mängelansprüche zu leistende Sicherheit (Zusätzliche Vertragsbedingungen 215 Nr. 22.2) beträgt 3,0 v. H. der Auftragssumme einschließlich aller Nachträge.

Satz 3: Für die Vertragserfüllung und die Mängelansprüche kann Sicherheit wahlweise durch Einbehalt oder Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft (Zusätzliche Vertragsbedingungen 215 Nr. 23) geleistet werden.

...

Satz 6: Stellt der Auftragnehmer die Sicherheit für die Vertragserfüllung binnen 18 Werktagen nach Vertragsabschluss (Zugang des Auftragsschreibens) weder durch Hinterlegung noch durch Vorlage einer Bürgschaft, so ist der Auftraggeber berechtigt, Abschlagszahlungen einzubehalten, bis der Sicherheitsbetrag erreicht ist.

Satz 7: Nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz kann der Auftragnehmer verlangen, dass die Sicherheit für die Vertragserfüllung in eine Mängelansprüchesicherheit umgewandelt wird.

Satz 8: Rückgabezeitpunkt (§ 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B): n. Ablauf d. Verjährungsfrist f. Mängelansprüche.

Die Zusätzlichen Vertragsbedingungen weisen in Nr. 22 unter der Überschrift "Sicherheitsleistung (§ 17)" folgende Regelung auf:

22.1 Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Mängelansprüche und Schadensersatz.

22.2 Die Sicherheit für Mängelansprüche erstreckt sich auf die Erfüllung der Mängelansprüche einschließlich Schadensersatz und Ansprüche aus der Abrechnung.

Unter Nr. 23 "Bürgschaften (§§ 16 und 17)" der Zusätzlichen Vertragsbedingungen findet sich folgende Regelung:

23.3 Die Bürgschaftsurkunden enthalten folgende Erklärungen des Bürgen:

- "Der Bürge übernimmt für den Auftragnehmer die selbstschuldnerische Bürgschaft nach deutschem Recht.

- Auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit sowie der Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB wird verzichtet. Der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gilt nicht für unbestrittene o...

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