Leitsatz (amtlich)

Eine Sicherheit i.H.v. insgesamt 10 % übersteigt das unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer angemessene Maß. Angemessen dürfte nach Abnahme eine Sicherheitsleistung für Mängelansprüche von höchstens 5 % der Auftragssumme sein, weil diese Höhe der Sicherheit dem Umstand Rechnung trägt, dass das Sicherungsinteresse des Auftraggebers nach der Abnahme deutlich geringer ist als in der Erfüllungsphase.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 8 O 60/11)

 

Gründe

Nach vorläufiger Auffassung des Senats dürfte die Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg haben. Das LG hat wohl jedenfalls im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Einrede der Beklagten aus §§ 821, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB wohl begründet ist.

1. Nach Auffassung des Senats ist die Bürgschaftsurkunde vom 23.4.2007 ausschließlich für die Vertragserfüllungssicherheit gestellt worden. Dies ergibt sich aus den zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin vereinbarten besonderen Vertragsbedingungen (EVM (B) BVB) und zusätzlichen Vertragsbedingungen (EVM (B) ZVB/E). Danach schuldete die Auftragnehmerin gem. Nr. 4.1 der EVM (B) BVB eine Sicherheit für die Vertragserfüllung sowie eine Sicherheit für Mängelansprüche. Des Weiteren hatte die Auftragnehmerin gem. Nr. 10.14 eine generelle Vertragserfüllungsbürgschaft nach dem Formblatt EFB-Sich 1 i.H.v. 5 % der Auftragssumme zu stellen. Gemäß Nr. 4.2 der EVM (B) BVB war die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft für die Vertragserfüllung durch Verwendung des Formblattes EVB Sich1-323.1 und die Sicherheitsleistung für die Mängelansprüche durch Verwendung des Formblatts EVB Sich2-323.2 zu leisten. Die Bürgschaftsurkunde vom 23.4.2007 ist unter Verwendung des Formblatts EVB sich1-323.1 ausgestellt worden, mithin handelt es sich um die Sicherheitsleistung für die Vertragserfüllung. Nach den zu den Akten gereichten Unterlagen ist demgegenüber eine Gewährleistungsbürgschaft - unter Verwendung des Formblatts EFB sich2-323.2 - nicht gestellt worden.

2. Die Klägerin trägt in ihrer Berufungsbegründung vor, nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien des Bauvertrages einschließlich der Vertragsbedingungen habe es keine zwei selbständig nebeneinander bestehenden Sicherheiten gegeben, vielmehr sei die ursprüngliche Vertragserfüllungsbürgschaft durch eine Gewährleistungsbürgschaft ausgetauscht, abgelöst bzw. umgewandelt worden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das LG hat ausgeführt, zusätzlich zu der Vertragserfüllungsbürgschaft, die über den gesetzlichen Inhalt des § 17 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B auch Mängelansprüche beinhaltet habe, sei eine Sicherheitsleistung für Gewährleistungsansprüche vereinbart worden. Da hierdurch jedenfalls für einen gewissen Zeitraum die Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit hätten nebeneinander bestehen können und in diesem Fall die Auftraggeberin mit einer insgesamt i.H.v. 10 % bestehenden Sicherheit übervorteilt werde, sei die Klausel, aufgrund derer die Beklagte eine Vertragserfüllungssicherheit schuldete, gem. § 307 BGB unwirksam. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wie sich aus folgenden Erwägungen ergibt:

Umfang und Inhalt der von der Insolvenzschuldnerin geschuldeten Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit bestimmen sich nach Nr. 22.1 und Nr. 22.2 EVM (B) ZVB/E. Nach Nr. 4.1 sowie 10.14 der EVM (B) BVB war eine Sicherheit für die Vertragserfüllung i.H.v. 10 % der Auftragssumme (bei einer Auftragssumme von mindestens 250.000 EUR) und zusätzlich weitere 5 % der Auftragssumme unabhängig von deren Höhe zu leisten. Für Mängelansprüche war eine weitere Sicherheit i.H.v. 5 % der Auftragssumme zu leisten. Je nach Höhe der Auftragssumme schuldet demnach der Auftragnehmer mindestens 10 % der Auftragssumme für Sicherheitsleistungen und maximal sogar 20 %, wenn sich die Sicherheitsleistungen für die Vertragserfüllung und die Gewährleistung auch nur teilweise zeitlich überschneiden sollten. Eine solche Überschneidung dürfte hier anzunehmen sein.

a) Eine zeitliche Begrenzung für die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft in der Weise, dass mit der Abnahme die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben und ab diesem Zeitpunkt eine Gewährleistungssicherheit zu gewähren ist, ist zwischen den Parteien ersichtlich nicht vereinbart worden. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus Ziff. 4.1 der EVM (B) BVB, wonach nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz der Auftragnehmer die Umwandlung der Vertragserfüllungssicherheit in eine Mängelansprüchesicherheit verlangt werden kann. Nach den Vertragsbedingungen war die Vertragserfüllungssicherheit mit der Abnahme gerade nicht zurückzugeben, weil die Vertragserfüllungssicherheit auch die Abrechnung, Mängelansprüche und Schadensersatz umfasste, Nr. 22.1 EVM (B) ZVB/E. Damit umfasste die Vertragserfüllungsbürgschaft weiter gehende dem Gewährleistungsstadium zuzurechnende Ansprüche, so dass es eine zeitliche Übersc...

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