Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung bei außergerichtlicher Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts bei außergerichtlicher Tätigkeit richtet sich auch dann nach Nr. 2300 VVRVG (und nicht nach Nr. 3309), wenn die Tätigkeit Verhandlungen über den Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen betrifft.

2. Für die Bemessung des der anwaltlichen Gebührenforderung zugrunde zu legenden Gegenstandswertes können insoweit die Grundsätze, die die Rechtsprechung für die Wertbestimmung bei der einstweiligen Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen entwickelt hat,

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 2300

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 12.03.2008; Aktenzeichen 2 O 166/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.3.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Hildesheim teilweise geändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Beklagten insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.650,52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.3.2007 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 4/10, der Beklagte 6/10. die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 3/10, dem Beklagten zu 7/10 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger macht ggü. dem Beklagten Gebührenansprüche aus abgetretenem Recht der Rechtsanwälte W. i.H.v. 6.124,57 EUR geltend, die auf einer Tätigkeit des Sozius H. für den Beklagten beruhen.

Der Beklagte war seit mehr als 40 Jahren Kunde der Sparkasse X. Diese hatte wegen erheblicher Zahlungsrückstände mit Schreiben vom 2.6.2006 die dem Beklagten gewährten Kredite i.H.v. rd. 1.720.000 EUR gekündigt. Nach vorausgegangenem Schriftwechsel zwischen der Sparkasse X. und Rechtsanwalt H., in dessen Rahmen Rechtsanwalt H. für den Beklagten u.a. die Berechtigung der Sparkasse zur Kreditkündigung in Zweifel gezogen hatte (vgl. u.a. Bl. 60 d.A.), kam es am 25.8.2008 in den Räumen der Sparkasse zu einem Gespräch zwischen dem Beklagten und der Sparkasse, an dem auch Rechtsanwalt H., der den Termin vermittelt hatte, teilnahm. Hierbei wurde zwischen den Kreditvertragsparteien eine Regelung des Inhalts getroffen, dass die Sparkasse bis zum Ende des Jahres 2006 auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ggü. dem Beklagten in die jenem gehörenden, zugunsten der Sparkasse belasteten Immobilien verzichtete, der Beklagte seinerseits bis zum Jahresende durch den Verkauf von Immobilien einen Teilbetrag von 800.000 EUR erlösen und zur Kreditrückführung verwenden und darüber hinaus in den Monaten ab September 2006 jeweils Abschlagszahlungen i.H.v. 9.000 EUR leisten sollte (vgl. im Einzelnen Bestätigungsschreiben der Sparkasse vom 25.8.2006, Bl. 58 d.A.). Ob die Vereinbarungen seitens des Beklagten eingehalten und erfüllt worden sind, ist unbekannt.

Rechtsanwalt H. rechnete seine Tätigkeit für den Beklagten unter dem 28.8.2006 ab. Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von (bis zu) 850.000 DM machte er eine 1,3 Gebühr gem. Nr. 2300 des Gebührenverzeichnisses zum RVG geltend. Zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ergab sich hieraus ein Honorarbetrag i.H.v. 6.124,57 EUR, wie er mit der Klage geltend gemacht worden ist. Der der Rechnung zugrunde gelegte Gegenstandswert orientierte sich an dem Betrag von 800.000 DM, den der Beklagte bis Ende 2006 an die Sparkasse zahlen sollte, sowie den vier weiteren Raten von jeweils (mindestens) 9.000 DM.

Der Beklagte hat den Ausgleich der Rechnung des Rechtsanwalts H. mit der Begründung verweigert, die mit der Sparkasse getroffene Vereinbarung beruhe nicht auf der Mitwirkung von Rechtsanwalt H., sie sei vielmehr bereits tags zuvor von ihm telefonisch mit Mitarbeitern der Sparkasse getroffen worden. Im Übrigen habe Rechtsanwalt H. bei dem Gespräch nichts beigetragen. Rechtsanwalt H. habe schließlich das ihm übertragene Mandat schlecht erfüllt. Der damalige Liquiditätsengpass des Beklagten habe darauf beruht, dass dessen Steuerberater K. mit den vom ihm zu fertigen Steuererklärungen in Rückstand gewesen sei. Rechtsanwalt H. hätte daher richtigerweise den Steuerberater verklagen müssen.

Das LG hat dem Kläger aus abgetretenem Recht einen Betrag i.H.v. 5.219,77 EUR zzgl. Zinsen zuerkannt. Rechtsanwalt H. stehe für seine Tätigkeit eine 1,3 Gebühr gem. § 2300 VVRVG zu, allerdings nur nach einem Gegenstandswert von 644.000 EUR. Soweit ein Aufschub von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgehandelt worden sei, richte sich der Gegenstandswert nach dem Wert des Grundstücks, in das vollstreckt werden solle. Bei einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung sei jedoch ein Abschlag von 1/5 vorzunehmen. Darüber hinaus seien weitere 4 × 1.000 EUR als Gegenstandswert erhöhend zu berücksichtigen, da statt der darlehensvertraglich geschuldeten Rate von 8.000 EUR eine monatliche Zahlung von (mindestens) 9.000 EUR vereinbart worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet s...

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