Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes 2001 gibt es einen außerordentlichen Rechtsbehelf der „weiteren Beschwerde” gegen nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidungen der Beschwerdegerichte im zivilprozessualen Instanzenzug nicht mehr.

2. Bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, insb. der Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, kommt – ebenso wie bei den weiteren Fällen „greifbarer Gesetzwidrigkeit”, in denen bislang die außerordentliche Beschwerde als gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf ausnahmsweise zugelassen worden ist – nur noch die Selbstkorrektur der Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, in Betracht.

 

Normenkette

ZPO § 567

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 6 T 55/02)

AG Lüneburg (Aktenzeichen 12 C 338/01)

 

Tenor

Die als außerordentliche Beschwerde eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Beklagten zu 1) gegen den Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 24.5.2002 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit einem als „sofortige weitere Beschwerde” bezeichneten außerordentlichen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss des LG, in dem das LG die Versagung von Prozesskostenhilfe für die erstinstanzliche Rechtsverteidigung der Beklagten durch das AG in einem Beschluss vom 11.2.2002 i.E. bestätigt hat. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Beklagte, die trotz der Versagung von Prozesskostenhilfe durch das AG in der mündlichen Verhandlung vom 21.2.2002 zur Sache verhandelt und Anträge gestellt hat, habe mit diesem Verhalten gezeigt, dass sie auch ohne die Prozesskostenhilfebewilligung in der Lage sei, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen.

I. Mit ihrer außerordentlichen Beschwerde gegen diese Entscheidung macht die Beklagte geltend, der Rückschluss, die Beklagte sei nicht prozesskostenhilfebedürftig, wie sich daran gezeigt habe, dass sie trotz Versagung von Prozesskostenhilfe zur Sache verhandelt habe, sei falsch. Tatsächlich habe am 21.2.2002 noch keine rechtskräftige Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgelegen; dass die Beklagte zur Sache verhandelt habe, sei auf das Prozesskostenhilfeverfahren ohne Einfluss. Würde man dies anders sehen, sei die Gefahr gegeben, dass das gesamte Institut der Prozesskostenhilfebewilligung in Gefahr gerate, weil sich dann regelmäßig ein Prozesskostenhilfeantrag schon dadurch erledige, dass über ihn in der mündlichen Verhandlung entschieden werde und der Antragsteller anschließend im Beschwerdeverfahren als nicht hilfebedürftig angesehen werde, weil er zur Sache verhandelt habe. Dies begegne auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

II. Der Senat stellt nach Übertragung des Verfahrens auf den gesamten Spruchkörper gem. § 568 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache fest, dass der als sofortige weitere Beschwerde eingelegte Rechtsbehelf der Beklagten unzulässig ist, weil es nach dem In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes-ZPO-RG vom 27.7.2001 (BGBl. I. S. 1887 ff.) einen außerordentlichen Rechtsbehelf der „weiteren Beschwerde” gegen nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidungen im zivilprozessualen Instanzenzug nicht mehr gibt. Der Senat schließt sich insoweit der neuen Rechtsprechung des BGH an. Danach ist ein außerordentliches Rechtsmittel zum BGH auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen „greifbar gesetzwidrig” ist (s. BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, MDR 2002, 901 = BGHReport 2002, 431 = NJW 2002, 1577). Bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten – insb. der Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Verpflichtung, keine Überraschungsentscheidungen zu erlassen – kommt ebenso wie bei den weiteren Fällen „greifbarer Gesetzwidrigkeit”, in denen bislang die außerordentliche Beschwerde als gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf ausnahmsweise zugelassen worden ist (s. etwa BGH v. 8.10.1992 – VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372 = MDR 1993, 80 = NJW 1993, 135; v. 4.3.1993 – V ZB 5/93, BGHZ 121, 397 = MDR 1993, 1249 = NJW 1993, 1865 = LM H.7/1993 § 51 ZPO Nr. 26 m. Anm. Pape; NJW 2000, 960; v. 8.11.2001 – IX ZB 44/01, BGHReport 2002, 169 = MDR 2002, 292 = NJW 2002, 754), nur noch die Selbstkorrektur der Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, in Betracht (wie hier KG v. 29.5.2002 – 26 W 114/02, MDR 2002, 1086).

Diese Selbstkorrektur kann nur auf eine fristgebundene Gegenvorstellung erfolgen. Im Falle der rechtswidrigen Verweigerung der Selbstkorrektur gibt es dagegen nur noch die Verfassungsbeschwerde, nicht aber ein weiteres außerordentliches Rechtsmittel. Der Senat hat sich deshalb nicht mit der Frage auseinander zu setzen, ob vorliegend die Entscheidung des LG „greifbar gesetzwidrig” gewesen ist, d.h., ob sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz derart fremd ist, dass sie offenbar dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspri...

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