Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO eröffnet die weitere Beschwerde auch gegen die Anordnung des dinglichen Arrests oder seine Aufrechterhaltung ablehnende Beschwerdeentscheidungen (gegen OLG München wistra 2008, 78 ff.).

  • 2.

    Zur Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 111 b Abs. 2 StPO und der Bedeutung der Sicherungsmöglichkeiten der Finanzbehörden nach §§ 324 ff. AO für die Abwägungsentscheidung.

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2007, Az.: 9 a Gs 1356/07, ordnete das Amtsgericht V. den dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen des Beschuldigten in Höhe von 587.849,-- EUR gemäß §§ 111 b Abs. 2 und 5, 111 d Abs. 1 Satz 1, 111 e Abs. 1 Satz 1 StPO, 73, 73 a, 73 b StGB an, nachdem bereits zuvor mit Arrestbeschluss des Amtsgerichts L. vom 4. September 2006, Az.: 27 Gs 617/06, 242.574,-- EUR gesichert worden waren.

Das Amtsgericht war der Auffassung, es seien Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes gemäß §§ 73, 73 a StGB in der genannten Höhe vorliegen. Denn der Beschuldigte sei dringend verdächtig, zwischen 2003 und 2006 Einkommenssteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbe- und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt mindestens 587.849,-- EUR verkürzt zu haben, indem er u. a. unter Vorlage von Rechnungen einer von ihm selbst gegründeten zypriotischen Domizilgesellschaft tatsächlich nicht entstandene Betriebsausgaben geltend machte und den Erhalt verdeckter Kaufpreiszahlungen in Höhe von 1.068.650,-- EUR im Zusammenhang mit dem Verkauf des Forstes B. nicht - auch nicht als verdeckte Gewinnausschüttung der L. und Lu. F. GmbH, der als Eigentümerin des Forstes die an den Beschuldigten geleisteten Kaufpreiszahlungen zugestanden hätten - gegenüber dem Finanzamt angab. Das Amtsgericht war der Auffassung, in den Steuerverkürzungen komme eine rechtsfeindliche eigensüchtige Gesinnung zum Ausdruck, die befürchten lasse, dass der Beschuldigte auch unlautere Mittel zur Sicherung der erlangten Vermögenswerte einsetzen werde und insbesondere unter Nutzung seiner Auslandskontakte erlangte Vermögensvorteile ins Ausland transferieren werde.

Auf die Beschwerde des Beschuldigten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Arrestbeschluss des Amtsgerichts V. aufgehoben, weil nach seiner Auffassung kein Arrestgrund gemäß §§ 111 d Abs. 2 StPO, 917 ZPO besteht. Aus dem Vorwurf der wiederholten Steuerverkürzung allein könne ein Arrestgrund nicht hergeleitet werden, vielmehr bedürfe es konkreter Umstände, die eine Erschwerung der Geltendmachung der Ansprüche gegen den Beschuldigten oder ihre Vereitelung befürchten lassen. Solche seien hier nicht ersichtlich.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1.

Entgegen der vom Landgericht im Tenor des angefochtenen Beschlusses zum Ausdruck gebrachten und auch in der Nichtabhilfeentscheidung vertretenen Auffassung ist die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO zulässig. Der Senat folgt insoweit nicht der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 12.11.2007, Az.: 2 Ws 942/07, wistra 2008, 78 ff. = StV 2008, 241 ff.), dass § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO nur die weitere Beschwerde gegen eine den dinglichen Arrest anordnende oder bestätigende Beschwerdeentscheidung eröffnet, nicht aber gegen eine den Arrest aufhebende oder seine Ablehnung bestätigende Entscheidung.

Nach Auffassung des erkennenden Senats zwingt der Wortlaut des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zu der dargestellten vom Oberlandesgericht München vorgenommenen Auslegung oder legt sie auch nur nahe. Denn in der Gesetzesformulierung ("wenn die Beschlüsse eine Anordnung des dinglichen Arrestes über einen Betrag von mehr als 20.000 EUR betreffen") vermag der Senat keinen entscheidenden Unterschied zu den Formulierungen in Nr. 1 und 2 dieser Norm zu erblicken ("wenn die Beschlüsse eine Verhaftung oder eine einstweilige Unterbringung betreffen"). In den Fällen einer Verhaftung oder einstweiligen Unterbringung ist aber unbestritten, dass jeweils auch die Haft oder Unterbringung aufhebende Beschwerdeentscheidungen mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind. Dass - wie das Oberlandesgericht München zutreffend darlegt (vgl. insoweit auch die Anmerkung von Pfordte, StV 2008, 243 f.) - gesetzgeberisches Motiv für die Einführung des § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO das besondere Schutzinteresse des Beschuldigten gegenüber ihn erheblich belastenden Vermögensbeschlagnahmen trotz noch fehlenden Tatnachweises war, spricht ebenfalls noch nicht für die vom Oberlandesgericht München vertretene Gesetzesauslegung. Auch die erweiterten Anfechtungsmöglichkeiten von Haft- und Unterbringungsentscheidungen haben offensichtlich i...

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