Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB kann auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer "im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nichtgewerblicher Art" i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB.

Vergibt der öffentliche Auftraggeber einen den Schwellenwert übersteigenden Liefer- und Dienstleistungsauftrag unmittelbar an ein Unternehmen ohne förmliches Vergabeverfahren, so ist der Vertrag entsprechend § 13 VgV nichtig, wenn der Auftraggeber von dem Interesse eines weiteren Unternehmens Kenntnis erlangt hat und diesem Unternehmen die Vorabinformation über die beabsichtigte Vergabe nicht erteilt hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre. Dass das am Auftrag interessierte Unternehmen ein konkretes Angebot abgegeben hat, ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

GWB § 98 Nr. 2; VgV § 13

 

Verfahrensgang

Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium (Beschluss vom 06.07.2006; Aktenzeichen VgK 13/2006)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 6.7.2006 (AZ: VgK - 13/2006) in Ziff. 2 und 4 des Entscheidungstenors aufgehoben und insoweit wie folgt gefasst:

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 2 haben die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin als Gesamtschuldner zu tragen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.

Der Streitwert im Beschwerdeverfahren wird auf 33.006 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts. Gesellschafter sind 49 kommunale Gebietskörperschaften, u.a. der Landkreis G. (Beigeladener zu 3) und der Landkreis O. am H. (Beigeladener zu 4). Nach dem Gesellschaftsvertrag bezweckt die Antragsgegnerin im Rahmen des Betriebs einer kommunalen Datenverarbeitungszentrale u.a. den Betrieb von Rechenzentren, die Softwareeinführung, die Planung, Installation und Administration lokaler Netzwerke sowie die Beschaffung, den Verkauf und die Vermietung von IT-Produkten.

Im November 2004 beschloss der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin auf Vorschlag einer Arbeitsgruppe, in welcher die Antragsgegnerin sowie die Beigeladenen zu 3 und 4 vertreten waren, die von mehreren Gesellschaftern bis dahin benutzte Software für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und dem Asylbewerbergesetz durch eine von der Beigeladenen zu 2) angebotene Software zu ersetzen. Die Beigeladenen zu 3) und 4) beabsichtigten sich, auch für zusätzliche Aufgaben, die ihnen zum 1.1.2005 als sog. Optionskommunen nach dem SGB II übertragen wurden, ein Softwareprodukt der Beigeladenen zu 2) anzuschaffen. Als sich im Laufe des Jahres 2005 die Einführung der Software der Beigeladenen zu 2) auf unbestimmte Zeit verzögerte, ließen sich die Beigeladenen zu 3) und 4) im Sommer 2005 eine Software der Beigeladenen zu 1) präsentieren. Am 2.11.2005 fand beim Deutschen Landkreistag eine Besprechung der Optionskommunen statt, zu welcher Software-Hersteller, u.a. die Antragstellerin, eingeladen waren. In dieser Besprechung brachten die Optionskommunen ihre Unzufriedenheit wegen der Softwareentwicklung der Beigeladenen zu 2) zum Ausdruck. Anschließend sprachen sich die Beigeladenen zu 3) und 4) ggü. der Antragsgegnerin für die Beschaffung der von der Beigeladenen zu 1) entwickelten Software aus. Im Dezember 2005 holte der Beigeladene zu 3) ein Angebot der Beigeladenen zu 1) ein. Mit Schreiben vom 19.1.2006 informierten die Beigeladenen zu 3) und 4) die Antragsgegnerin, zukünftig für die Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG die Softwareprodukte der Beigeladenen zu 1) und - für einen Teilbereich - der Beigeladenen zu 2) einsetzen zu wollen. Die Antragsgegnerin unterbreitete ihnen mit Schreiben vom 13.2.2006 und vom 20.2.2006 Angebote. Mit Schreiben vom 24.2.2006 teilte der Beigeladene zu 3) der Antragsgegnerin mit, dass das Angebot nach wie vor nicht seinen Vorstellungen entspreche, gleichwohl beauftrage er sie bereits mit der Lieferung.

Am 3./10.3.2006 schloss die Antragsgegnerin als Auftraggeber zwei Verträge mit der Beigeladenen zu 1) über die Nutzung der Software durch die Beigeladenen zu 3) und 4) (Unternehmenslizenzen für 225 bzw. 120 Vollzeitstellen) sowie über begleitende Dienstleistungen. Die Auftragswerte betragen 265.000 EUR und 160.000 EUR. Mit Vertrag vom 10./23.3.2006 beauftragte die Antragsgegnerin die Beigeladene zu 2) mit der Überlassung von Software für den Bereich Sozialhilfe gegen Einmalvergütung von 41.200 EUR und - in einem gesonderten Vertrag - mit der Pflege dieser Software gegen eine Vergütung von monatlich 4.400 EUR bzw. 3.025 EUR.

Mit Schreiben vom 5.4.2006 bat die Antragstellerin d...

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