Verfahrensgang

AG Hannover (Aktenzeichen 59 VI 4387/20)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, der Beteiligten zu 3 einen gemeinschaftlichen Erbschein gemäß notarieller Urkunde vom 30. September 2020 zu erteilen, der die Beteiligte zu 3 als Miterbin zu 3/4, die Beteiligte zu 1 als Miterbin zu 1/8 und die am 18. Februar 2021 nachverstorbene E. I. L. B. (ehemalige Beteiligte zu 4) als Miterbin zu 1/8 ausweist.

Beschwerdewert: 5.905,80 EUR.

 

Gründe

Die Beschwerde ist begründet.

I. Der Beschwerdeeinwand, mit dem angefochtenen Beschluss hätte statt des zuständigen Richters die unzuständige Rechtspflegerin entschieden, ist unbegründet. Die Erteilung des beantragten gemeinschaftlichen Erbscheins ist nicht dem Richter vorbehalten, weil der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat und nicht "die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt" (§ 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG).

II. Es sind die Tatsachen für festgestellt zu erachten (§ 352 e Abs. 1 Satz 1 FamFG), die erforderlich sind, den von der Beteiligten zu 3 mit notarieller Urkunde vom 30. September 2020 beantragten gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligte zu 3 als Miterbin zu 3/4 und die Beteiligten zu 1 und 4 als Miterbinnen zu je 1/8 ausweist.

1. Das Vorbringen der Beteiligten zu 3 ist so auszulegen, dass sie hilfsweise die Erteilung dieses Erbscheins beantragt.

Zwar hat sie mit notarieller Urkunde vom 17. August 2021 (Bl. 55 - 57 d. A.) unter Bezugnahme auf die notarielle Urkunde vom 30. September 2020 (Bl. 2 - 4 d. A.) geltend gemacht, dass die Beteiligte zu 1 aufgrund Erbausschlagung, die sie verspätet angefochten habe, als Erbin ausgeschieden sei und an ihre Stelle ersatzweise ihr Sohn, der Beteiligte zu 2, getreten sei. Doch enthält diese notarielle Ergänzung keine ausdrückliche Rücknahme des ursprünglichen Erbscheinsantrags vom 30. September 2020 und ist daher - zur Vermeidung weiterer Gebühren - so auszulegen, dass die Beteiligte zu 3 für den Fall, dass die Beteiligte zu 1 nicht aufgrund Erbausschlagung als Erbin ausgeschieden ist, der ursprüngliche Erbscheinsantrag hilfsweise weiterverfolgt wird.

2. Der Erblasser, der keine Abkömmlinge und keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat, ist im Wege gesetzlicher Erbfolge von der Beteiligten zu 3, seiner Ehefrau, mit der er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, zu 3/4 beerbt worden (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB i.V.m. § 1931 Abs. 3, § 1371 Abs. 1 BGB), sowie zu je 1/8 von seiner Mutter, der am 18. Februar 2021 nachverstorbenen Beteiligten zu 4, und seiner Zwillingsschwester, der Beteiligten zu 1, weil der Erblasser keine weiteren Geschwister hatte und sein Vater vorverstorben ist (§ 1925 Abs. 1, 3 Satz 1 BGB).

Der Beteiligte zu 2 ist nicht gemäß § 1953 Abs. 2 BGB aufgrund Erbausschlagung an die Stelle seiner Mutter, der Beteiligten zu 1, getreten.

a) Der streitige Teil der Erbfolge richtet sich nach folgendem Sachverhalt:

Am 19. September 2020 unterzeichnete die Beteiligte zu 1 eine an das Amtsgericht Hannover als Betreuungsgericht zu 661 XVII B 10055 gerichtete "Entlastungserklärung" (Bl. 67 d. A. und wohl Bl. 163 der Betreuungsakten) mit dem Inhalt, dass sie als "Miterbin" des Erblassers gegenüber der Beteiligten zu 3 als Betreuerin des Erblassers auf eine förmliche Schlussrechnung verzichte.

Am 15. Oktober 2020 ging beim Nachlassgericht die notariell beglaubigte Erklärung der Beteiligten zu 1 vom 29. September 2020 mit folgendem Wortlaut ein (Bl. 15 d. A.):

"... Am 19.09.2020 habe ich die Erbschaftsannahmeerklärung unterschrieben. Diese Erklärung habe ich nach fester Überzeugung unterschrieben, da ich davon ausgegangen bin, dass es sich hierbei nur um Hilfe für meine Schwägerin, A. B., handelt, die für sich den Erbschein beantragt wollte. Eigenes Erbrecht ist dabei nicht erörtert worden. Mir war nicht bekannt, dass ich als Erbin in Betracht komme.

Die Erbschaft nach meinem Bruder habe ich nicht annehmen wollen. Ich bin davon ausgegangen, dass das Nachlassgericht Hannover mich über mein Erbrecht informieren muss.

Ich (, die Beteiligte zu 1,) fechte daher die Erklärung über die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums an und schlage die Erbschaft als gesetzliche Erbin aus allen Berufungsgründen aus."

Mit notarieller Urkunde vom 30. September 2020 hat die Beteiligte zu 3 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Miterbin zu 3/4 und die Beteiligten zu 1 und 4 als Miterben zu je ein 1/8 ausweist. Den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes gab sie mit 70.869,60 EUR an.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2020, das am 28. Oktober 2020 beim Nachlassgericht eingegangen ist (Bl. 19 d. A.), erklärte die Beteiligte zu 1, seit sechs Jahren keinen Kontakt zu ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 2, zu haben und sie die Erbschaft doch annehmen würde, wenn es geht.

Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 18. November 2020, die am 30. November 2020 beim Nachlassgericht eingegangen ist (Bl. 25-27 d. A.), erklärte die Beteiligte zu 1...

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