Leitsatz (amtlich)

1. Wird das Angebot des Antragstellers und Beschwerdeführers vom Antragsgegner erstmals im Laufe des anhängigen Beschwerdeverfahrens von der Wertung ausgeschlossen, ist auf die diesbezügliche Rüge des Antragstellers die Berechtigung dieses Ausschlusses im Beschwerdeverfahren zu prüfen.

2. Zu den Voraussetzungen an das Vorliegen einer "wettbewerbsbeschränkenden Abrede".

 

Normenkette

VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f), § 2 Nr. 1 Abs. 2; GWB § 107 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Lüneburg (Beschluss vom 12.08.2010; Aktenzeichen VgK 32/2010)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 12.8.2010 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen zu 1 von der Angebotswertung auszuschließen und die Wertung nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats - mithin unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin und unter Nichtberücksichtigung der Angebote der Beigeladenen zu 1 sowie der Fa. H. & B. F. Entsorgungsgesellschaft mbH & Co. KG - zu wiederholen.

2. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 als Gesamtschuldner. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2 notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 sowie der durch das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB verursachten Kosten tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 zu gleichen Teilen.

 

Gründe

I. Mit europaweiter Bekanntmachung vom 10.3.2010 schrieb der Antragsgegner die Abfuhr von Restabfall, Bioabfall, Sperrmüll und PKK auf dem Festland sowie zwei Inseln im offenen Verfahren aus. Eine Aufteilung in Lose war nicht vorgesehen. Hinsichtlich der geforderten Nachweise zur Beurteilung der Eignung wurden verschiedene Angaben und Unterlagen gefordert. Als Zuschlagskriterium war nur der niedrigste Preis genannt. Den Verdingungsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Abfuhr auf der Insel J. nur mittels Pferdefuhrwerk erfolgen kann.

Unter Ziff. 2.9 der Angebotsaufforderung und Bewerbungsbedingungen heißt es:

"Nach Ablauf der Angebotsfrist sind Bieter bis zum 30.6.2010 an ihr Angebot gebunden. Verzögert sich die Zuschlagserteilung wegen eines Nachprüfungsverfahrens, sind die am Nachprüfungsverfahren beteiligten Bieter bis vier Wochen nach Rechtskraft des letztinstanzlichen Beschlusses an ihr Angebot gebunden. Beteiligte an einem Nachprüfungsverfahren, deren Angebot nicht für den Zuschlag in Betracht kommt, werden auf Wunsch aus der Bindefrist entlassen. Gleiches gilt für alle Bieter unter den Voraussetzungen der §§ 313 und 314 BGB."

Von den fünf abgegebenen Angeboten hatte das der Beigeladenen zu 1 den niedrigsten Angebotspreis. Das Angebot der Fa. H. & B. F. Entsorgungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: Fa. H.) lag an zweiter Stelle, das Angebot der Antragstellerin an dritter Stelle und das der Beigeladenen zu 2 an vierter Stelle.

Bei der Beigeladenen zu 1 handelt es sich um eine Eigengesellschaft des Antragsgegners in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Komplementärin der KG ist die M. Verwaltungs-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Antragsgegner ist. Geschäftsführer der GmbH ist Herr H. H. D., der zugleich Leiter des Amtes für Umweltschutz und Abfallwirtschaft des Antragsgegners ist. Kommanditist der KG ist ebenfalls der Antragsgegner. Mit der Erstellung der Leistungsbeschreibung wurde das Ingenieurbüro A. in Person ihres Geschäftsführers Dipl.-Ing. M. beauftragt. Das Büro A. hat durch ihren weiteren Geschäftsführer, Herrn Dr. T., die Beigeladene zu 1 im vorliegenden Vergabeverfahren beraten. Der Geschäftsführer der Komplementärin der Beigeladenen zu 1, Herr D., ist von dem Antragsgegner im Vergabeverfahren im Rahmen der Beantwortung von Bieteranfragen beteiligt worden.

In Bezug auf die Abfallentsorgung auf der Insel J. gaben alle Bieter, die ein Angebot abgegeben haben, an, dass sie beabsichtigten, das auf der Insel J. ansässige Pferdeunternehmen M. als Subunternehmer zu beauftragen. Die Fa.M. machte allen Bietern - mit Ausnahme der Beigeladenen zu 1 - ein Angebot, das sich auf jährlich ca. 317.000 EUR beläuft. Der Beigeladenen zu 1 machte die Fa.M. ein Erstangebot über ca. 266.000 EUR. Das endgültige Angebot der Fa.M. ggü. der Beigeladenen zu 1 beläuft sich - aufgrund von angeblichen Nachverhandlungen - auf ca. 135.000 EUR.

Mit Schreiben vom 27.5.2010 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu erteilen. Un...

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