Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Amtsermittlung in einem Sorgerechtsverfahren, wenn ein Elternteil nicht zum Termin erscheint

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es stellt einen die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigenden wesentlichen Mangel i.S.d. § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG dar, wenn das Familiengericht in einem Hauptsacheverfahren betreffend die elterliche Sorge (hier: § 1671 Abs. 1 BGB) allein aufgrund des Umstands, dass ein Elternteil, der sich bislang noch nicht zu dem von dem anderen Elternteil gestellten Antrag geäußert hat, zu dem ersten Erörterungstermin nicht erscheint, von der persönlichen Anhörung jenes Elternteils absieht und dem antragstellenden Elternteil ohne weiteres wesentliche Teilbereiche der elterlichen Sorge allein überträgt.

2. Da die nach § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG vorgeschriebene persönliche Anhörung der Eltern mehr als nur der Sicherstellung rechtlichen Gehörs, nämlich in erster Linie der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärung (§ 26 FamFG) dient, gilt dies auch dann, wenn die Ladung zum Termin den Hinweis nach § 34 Abs. 3 FamFG enthält, dass im Falle des unentschuldigten Ausbleibens des Elternteils im Termin das Verfahren auch ohne seine persönliche Anhörung beendet werden könne.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 1; FamFG §§ 26, 34 Abs. 3, § 69 Abs. 1 S. 3, § 160 Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 28.10.2014; Aktenzeichen 60 F 3810/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 28.10.2014 einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG - Familiengericht - Bremen zurückverwiesen.

Dem Kindesvater wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwältin Sönmez bewilligt.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 3.000 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern sind miteinander verheiratet. Sie leben seit dem 14.9.2014 voneinander getrennt, nachdem es in der Nacht vom 13. auf den 14.9.2014 zwischen ihnen zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen ist, deren Hergang sie unterschiedlich darstellen.

Am 23.9.2014 hat die Kindesmutter beim Familiengericht beantragt, ihr die elterliche Sorge für die beiden aus der Ehe der Kindeseltern hervorgegangenen Kinder A., geb. am [...]. 2008, und B., geb. am [...] 2011, im Wege der Hauptsachentscheidung allein zu übertragen. Das Familiengericht hat daraufhin einen Anhörungstermin auf den 28.10.2014 bestimmt, das persönliche Erscheinen der Kindeseltern angeordnet und die an den Kindesvater gerichtete Ladung zum Termin mit dem Hinweis versehen, dass das Verfahren auch ohne seine persönliche Anhörung beendet werden könne, wenn er dem Termin unentschuldigt fernbleibe.

Die Ladung zum Termin - und vermutlich auch den Antrag der Kindesmutter - hat das Familiengericht dem Antragsgegner unter der von der Kindesmutter in ihrem Antrag angegebenen Anschrift c/o [...], E.-Str. [...], zugestellt. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist die Zustellung am 8.10.2014 durch Niederlegung erfolgt, worüber eine schriftliche Mitteilung in den Gemeinschaftsbriefkasten gegeben worden ist.

Das Jugendamt teilte dem Familiengericht am 27.10.2014 mit, dass es den anberaumten Termin aus personellen Gründen nicht wahrnehmen könne.

Im Termin vom 28.10.2014 erschien ausschließlich die Kindesmutter, die sodann vom Familiengericht angehört wurde.

Mit Beschluss vom selben Tag hat das Familiengericht entschieden, dass die Kindesmutter bei im Übrigen fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge berechtigt sei, für die betroffenen Kinder das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge allein auszuüben sowie Entscheidungen über schulische, behördliche und finanzielle Belange allein zu treffen.

Diese Entscheidung ist dem Kindesvater am 7.11.2014 unter der Anschrift L.-Str. [...], zugestellt worden. Dieselbe Anschrift findet sich auch im Sitzungsprotokoll des Familiengerichts vom 28.10.2014 und im Rubrum des genannten Beschlusses. Ausweislich des zu seinem VKH-Heft gereichten Mietvertrags wohnt der Kindesvater unter dieser Anschrift seit dem 1.10.2014.

Mit seiner Beschwerde vom 5.12.2014 wendet sich der Kindesvater gegen die erstinstanzliche Entscheidung mit dem Ziel ihrer Aufhebung.

Die Kindesmutter verteidigt die Entscheidung des Familiengerichts und beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

II. Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Kindesvaters hat insofern Erfolg, als die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des zugrunde liegenden Verfahrens auf den mit Schriftsatz vom 12.1.2015 gestellten Antrag des Kindesvaters an das Familiengericht zurückzuverweisen ist (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel im Sinne dieser Vorschrift.

Dabei kann dahinstehen, ob der Kindesvater zum Termin vom 28.10.2014 überhaupt ...

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