Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung der Anwaltsvergütung nach § 11 RVG: Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei vollständiger, vorbehaltsloser Begleichung der Anwaltsrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich dient das Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG auch dazu, dem in einem gerichtlichen Verfahren tätig gewordenen Rechtsanwalt eine Möglichkeit zu verschaffen, wegen seiner gesetzlichen Vergütung einfach und schnell zu einem Vollstreckungstitel gegen seinen Auftraggeber zu gelangen. Eines solchen Vollstreckungstitels bedarf es jedoch nicht, wenn bereits eine vollständige, vorbehaltlose Zahlung an den Rechtsanwalt auf eine den Anforderungen des § 10 Abs. 3 RVG entsprechende Rechnung erfolgt ist.

 

Normenkette

RVG § 11 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 6 O 457/21)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 23.02.2023, Az. 6 O 457/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.387,14 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 11 Abs. 2 S. 3 RVG, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthaft und auch ansonsten zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat sowohl die beantragte Festsetzung der Terminsgebühr als auch die hilfsweise im Schriftsatz vom 20.02.2023 beantragte Feststellung, dass eine Terminsgebühr im Berufungsverfahren angefallen ist, zutreffend abgelehnt.

Nach dem Vorbringen der Antragstellerin ist nach vorheriger Vorlage einer den Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG entsprechenden Abrechnung bei der Rechtsschutzversicherung der Antragsgegnerin eine vollständige und vorbehaltlose Zahlung der Terminsgebühr erfolgt. Dadurch ist das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin, einer Rechtsanwaltsgesellschaft, für einen Antrag auf Festsetzung nach § 11 RVG entfallen. Denn nach vollständiger vorbehaltloser Bezahlung der Vergütung besteht für einen Antrag des Anwalts kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG § 11 Rn. 203).

Grundsätzlich dient das Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG dazu, dem in einem gerichtlichen Verfahren tätig gewordenen Rechtsanwalt eine Möglichkeit zu verschaffen, wegen seiner gesetzlichen Vergütung einfach und schnell zu einem Vollstreckungstitel gegen seinen Auftraggeber zu gelangen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG § 11 Rn. 2). Eines solchen Vollstreckungstitels bedarf es nicht, wenn bereits eine vollständige, vorbehaltlose Zahlung an den Rechtsanwalt auf eine den Anforderungen des § 10 Abs. 3 RVG entsprechende Rechnung erfolgt ist.

Die Tatsache, dass vorliegend eine Rechnung vorbehaltslos und vollständig bezahlt worden ist unterscheidet den vorliegenden Fall von dem Fall, der der von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidung des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. April 2020 - 13 W 55/19 -, juris) zugrunde lag. Denn dort ist eine Zahlung der streitigen Gebühr durch Leistung der Rechtsschutzversicherung und durch Verrechnung jeweils vor Erhalt der Rechnung (§ 10 Abs. 3 RVG) erfolgt (OLG Karlsruhe, aaO, Rn. 15). Im Übrigen war Antragstellerin im Fall des OLG Karlsruhe der Mandant und nicht - wie vorliegend - der Rechtsanwalt. Das Rechtschutzbedürfnis des vor Erhalt einer Rechnung einen Vorschuss zahlenden Mandanten ist im Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG ohnehin anders zu bestimmen als - wie vorliegend gegeben - das Rechtsschutzinteresse des Rechtsanwalts (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG § 11 Rn. 203).

Für die Annahme eines Rechtschutzbedürfnisses der Antragstellerin, einer Rechtsanwaltsgesellschaft, genügt es jedenfalls nicht, dass nach vollständiger, vorbehaltloser Zahlung Streitigkeiten über die Terminsgebühr zwischen der Rechtsschutzversicherung der Antragsgegnerin und der Antragstellerin entstanden sein sollen. Dieser Tatsachenvortrag lässt bereits kein konkretes Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin erkennen. Es ist insbesondere weder vorgetragen und schon gar nicht durch geeignete Unterlagen glaubhaft gemacht worden, dass sich die Antragstellerin in diesem Einzelfall Rückforderungsansprüchen der Rechtsschutzversicherung der Antragsgegnerin, auf die die Ansprüche der Antragsgegnerin nach Zahlung übergegangen sind (§ 86 VVG), ausgesetzt sieht.

Es bedarf auch keiner Entscheidung darüber, ob der Antrag nach § 11 RVG auch unbegründet ist, weil es an der Vorlage der Rechnung nach § 10 Abs. 3 RVG an die Antragsgegnerin als Mandantin fehlt. Ein Festsetzungsantrag nach § 11 RVG ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig (§ 8 RVG) und einforderbar ist, was voraussetzt, dass dem Auftraggeber eine den Anforderungen des § 10 RVG genügende Honorarabrechnung mitgeteilt wurde (HK-RVG/Hans-Jochem Mayer, 8. Aufl. 2021, RVG § 11 Rn. 80). Die Berechnung nach § 10 Abs. 3 RVG ist grundsätzlich nur dem Auftraggebe...

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