Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Umfang der fiktiven Wochenarbeitszeit bei Berücksichtigung des Kindesumgangs und fiktiver Fahrtkosten

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Umfang einer fiktiv angenommenen wöchentlichen Arbeitszeit bei geschuldetem Kindesunterhalt unter Berücksichtigung der ausgeübten Umgangsbefugnis mit einem Kind sowie zur Berücksichtigung von fiktiven Fahrtkosten..

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 1-2; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Bremen-Blumenthal (Beschluss vom 19.11.2008; Aktenzeichen 71a F 510/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen-Blumenthal vom 19.11.2008 dahin abgeändert, dass dem Beklagtem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu den dort genannten Bedingungen bewilligt wird, soweit er sich gegen den geltend gemachten Kindesunterhalt für die Zeit ab 1.1.2009 und für die Zeit bis einschließlich Dezember 2008 gegen einen 37 EUR pro Monat und Kind übersteigenden Unterhalt verteidigt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gerichtsgebühren werden nicht erhoben (Nr. 1812 der Anl. 1 zum GKG).

 

Gründe

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567, 569 ZPO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat, hat in der Sache Erfolg.

Die Verteidigung des Beklagten hat entgegen der Auffassung des Familiengerichts überwiegend, und zwar in dem im Tenor ersichtlichen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO.

Zum einen hat das Familiengericht das (fiktive) Einkommen, das der Beklagte in zumutbarer Weise erwirtschaften könnte, zu hoch angesetzt. Zum anderen hat es nicht die gesamten Kosten des Beklagten berücksichtigt, die ihm infolge des Umgangs mit seinen Kindern entstehen. Ferner hätte das Familiengericht dem Beklagten nach Auffassung des Senats auch fiktive Fahrkosten einräumen müssen.

Dem Grunde nach zu Recht hat das Familiengericht dem Beklagten ein fiktives Einkommen zugerechnet. Dies wird mit der sofortigen Beschwerde auch nicht angegriffen.

Das vom Familiengericht angesetzte Einkommen ist indessen überhöht. Dabei hat es vor allem verkannt, dass Einkünfte, die neben einer vollen Beschäftigung erzielt werden, zu versteuern sind und hierfür auch Sozialabgaben zu entrichten sind (BVerfG, FamRZ 2008, 1403, 1404).

Der Senat geht - wie auch das Familiengericht (allerdings nur für das Jahr 2008) - davon aus, dass der 1980 geborenen Beklagte bei gehörigen Bemühungen eine Beschäftigung finden könnte, bei der er monatlich 8 EUR brutto erzielt. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Beklagte über keinen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss verfügt und der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist.

Der Senat erachtet im vorliegenden Fall eine Erwerbsverpflichtung von insgesamt 45 Stunden in der Woche für noch zumutbar.

In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage, wie viele Wochenstunden ein seinen minderjährigen Kindern gegenüber zum Unterhalt Verpflichteter zu arbeiten hat, uneinheitlich beantwortet (vgl. zum Meinungsstand etwa Wendl/Staudigl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 1 Rz. 75 m.w.N.). Streitig ist, ob der Unterhaltsverpflichtete gehalten ist, neben einer vollen Stelle, also in der Regel einer 40-Stunden-Woche, eine Nebenbeschäftigung anzunehmen. Vor allem hat das BVerfG in diesem Kontext wiederholt darauf hingewiesen, dass an den Unterhaltsschuldner keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürfen (BVerfG FamRZ 2003, 661).

Ob die Aufnahme einer Nebentätigkeit zumutbar und damit für den Unterhaltsschuldner verpflichtend ist, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese können wiederum nur anhand eines konkreten Vortrages festgestellt werden. Bleiben Zweifel, geht das zu Lasten des Unterhaltsschuldners, weil er für seine Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet ist. Vorliegend hat der Beklagte keine konkreten Einwendungen gemacht, die eine Beschäftigung von 45 Stunden in der Woche als unzumutbar erscheinen lassen. Der Umstand, dass er seine Kinder alle 3 Wochen an einem Tag am Wochenende besucht, steht einer Nebenbeschäftigung bzw. einer 45-Stunden-Woche nicht entgegen. Zwar findet der Umgang jeweils an einem Samstag statt. Der Senat vermag indes keine Gründe zu erkennen, die - falls erforderlich - einer Verlegung der Besuchstermine auf den Sonntag entgegenstehen.

Damit ergibt sich folgende Einkommensberechnung:

2008

2009

Stundenlohn, brutto

8 EUR

8 EUR

Wochenstunden

45

45

Brutto im Monat

1.558,80 EUR

1.558,80 EUR

Netto

bei Steuerklasse III/3

1.225,23 EUR

bei Steuerklasse I/1,5

1.083,07 EUR

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts sind indessen die vom Beklagten unstreitig vorgetragenen Umgangskosten insgesamt zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (grundlegend FamRZ 2005, 706) darf das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen, sein...

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