Leitsatz (amtlich)

1. Übersteigen im Rahmen der Vermögensbilanz die Passiva die Aktiva, kommt der Einsatz einzelner aktiver Vermögenspositionen für die Prozesskosten dann in Betracht, wenn die Schulden entweder in langfristigen Raten zu tilgen oder zwar fällig sind, aber nicht von der Partei bezahlt werden.

2. Bei der Frage, ob der Partei eine Kündigung ihres Lebensversicherungsvertrages zumutbar ist, um damit die Prozesskosten zu bezahlen, sind jeweils die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 24.11.2006; Aktenzeichen 76 F 482/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Bremen-Blumenthal vom 24.11.2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antragsgegner begehrt Prozesskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren.

Das FamG hat den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsgegner könne seine Kapitallebensversicherung bei der V. mit einem aktuellen Rückkaufswert von mehr als 6.200 EUR für die Prozesskosten einsetzen. Mit Blick auf das Alter des Antragsgegners von 40 Jahren und seine übrige Altersversorgung sei das zumutbar. Auf die Frage, ob sein Vermögenssaldo "unterm Strich" negativ ausfalle, komme es nicht an.

Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567, 569 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der das FamG nicht abgeholfen hat, hat in der Sache keinen Erfolg.

Das FamG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Das gilt sowohl hinsichtlich der Frage, wie im Rahmen des § 115 Abs. 3 ZPO zu verfahren ist, wenn eine negative Vermögensbilanz vorliegt, als auch hinsichtlich der Zumutbarkeit des Einsatzes der Lebensversicherung.

Die Auffassung des Antragsgegners, es müsse immer dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die Verbindlichkeiten höher seien als die Aktiva, geht fehl. Zwar ist es richtig, dass die Partei ihr Geld grundsätzlich dann nicht zur Zahlung von Prozesskosten einsetzen muss, wenn die Schulden ihre verwertbaren Vermögenswerte übersteigen (BAG, Beschl. v. 22.12.2003 - 2 AZB 23/03 - Rz. 19, zitiert nach JURIS). Dabei muss es sich aber um fällige Schulden handeln, die von der Partei auch bezahlt werden (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 115 Rz. 46). Wenn die Schulden allerdings - wie hier - in langfristigen Raten zu tilgen sind, darf die Partei sie nicht vorzeitig begleichen, sondern muss mit dem vorhandenen Geld die Prozesskosten bezahlen (vgl. BGH v. 25.11.1998 - XII ZB 117/98, FamRZ 1999, 644; LAG Hamm, Beschl. v. 20.6.2006 - 5 Ta 185/06 - Rz. 11, zitiert nach JURIS; Zöller/Philippi, a.a.O.).

Zu Recht hat das FamG auch entschieden, dass bei der hier vorliegenden Fallkonstellation der Einsatz der Kapitallebensversicherung bei der V. zumutbar ist.

Ob der Partei eine Kündigung ihres Lebensversicherungsvertrages zumutbar ist, ist umstritten (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 327, m.w.N.). Nach zutreffender Auffassung kann diese Frage nicht pauschal beantwortete werden. Vielmehr sind jeweils die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen (so auch OLG Köln v. 7.9.2000 - 14 WF 106/00, OLGReport Köln 2001, 39 = FamRZ 2001, 632, 633).

Die durchzuführende Einzelfallprüfung ergibt, dass dem Antragsgegner die Kündigung seiner Kapitallebensversicherung bei der V. ' deren Rückkaufswert sich nach seinen Angaben zum 1.8.2006 auf einen Betrag von 6.244,70 EUR belief, zuzumuten ist.

Der Antragsgegner, der ausweislich der - in der von ihm vorgelegten Gehaltsbescheinigung für August 2006 ausgewiesenen (vgl. Bl. 54 Pkh-H) - Jahressummen inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld über ein Jahresbruttoeinkommen von rund 55.000 EUR verfügen dürfte, kann neben seiner gesetzlichen Rentenversicherung noch auf verschiedene andere Altersversorgungen zurückgreifen. So hat den Angaben des Antragsgegners zufolge sein Arbeitgeber für ihn eine Kapitallebensversicherung in Form einer Direktversicherung abgeschlossen. Darüber hinaus verfügt er über eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung ("soziale Zukunftssicherung"), die ausweislich der Bescheinigung der E. vom 23.8.2006 zum 31.8.2006 einen Stand der Versorgungsleistungen von 30.875,96 EUR aufwies (vgl. Bl. 32 Pkh-H). Schließlich ist der Antragsgegner Versicherungsnehmer einer weiteren Kapitallebensversicherung; Versicherte ist seine Ehefrau. Dass es dem Antragsgegner bei dieser Versorgungslage zumutbar ist, die eingangs genannte Lebensversicherung zu kündigen, bedarf keiner weiteren Darlegungen.

Dass die Verwertung der Lebensversicherung für den Antragsgegner aus anderen Gründen unzumutbar ist, ist trotz Hinweises des FamG auf die Zumutbarkeit ihres Einsatzes vom hierfür darlegungsbelasteten Antragsgegner (vgl. OLG Köln v. 7.9.2000 - 14 WF 106/00, OLGReport Köln 2001, 39 = FamRZ 2001, 632, 633) nicht dargetan und auch s...

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