Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 17.12.2004; Aktenzeichen 5 O 2075/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.06.2007; Aktenzeichen IX ZR 29/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Braunschweig vom 17.12.2004 - Az.: 5 O 2075/04 - abgeändert. Es wird festgestellt, dass der von dem Beklagten in dem über sein Vermögen vor dem AG Braunschweig - Insolvenzgericht - anhängigen Insolvenzverfahren 273 IN 505/02 am 24.6.2004 erhobene Widerspruch gegen das Privileg der vorsätzlichen unerlaubten Handlung der der Klägerin gemäß Vollstreckungsbescheid des AG Braunschweig vom 24.1.1995 - 70 B 5780/94 - zustehenden titulierten und im Insolvenzverfahren am 6.3.2003 angemeldeten Forderung unbegründet ist.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 120.599,79 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin war Haftpflichtversicherin des Beklagten für dessen Pkw Renault Clio, mit dem dieser am 15.10.1993 in einen schweren Verkehrsunfall verursachte, bei welchem der Beifahrer des Beklagten schwer verletzt wurde. Der Beklagte wurde deshalb wegen Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Die Klägerin leistete an den Beifahrer im Laufe der Zeit Zahlungen i.H.v. fast einer Million DM und nahm den Beklagten in Regress; der Beklagte meldete Verbraucherinsolvenz an. Die Klägerin meldete ihre Forderung im Insolvenzverfahren als eine solche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung an und verlangt nunmehr die Feststellung, der Insolvenzverfahren erhobene Widerspruch des Beklagten gegen das Privileg der unerlaubten Handlung sei unwirksam. Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 66 f. d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Forderung der Klägerin resultiere nicht aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Zwar bezwecke § 315c StGB auch den Schutz der Gesundheit Dritter. Die Klägerin beziehe sich jedoch selbst auf das amtsgerichtliche Strafurteil, durch welches der Beklagte nur wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden sei. Er habe danach zwar die Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit mindestens bedingt vorsätzlich begangen; die geschützten Rechtsgüter Gesundheit und körperliche Unversehrtheit seines Beifahrers habe er aber ausweislich der tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters und auch nach deren nochmaliger Würdigung nur fahrlässig verletzt. Der Strafrichter habe die Straftat im Tenor nur wegen § 11 Abs. 2 StGB als vorsätzliche Handlung bestätigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 67-70 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin rügt Rechtsfehler. Gemäß § 302 Nr. 1 InsO privilegierte Forderungen seien auch solche, die aus der vorsätzlichen Verletzung von Schutzgesetzen i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB herrührten; bei diesen komme es aber nur auf den Vorsatz hinsichtlich der Schutzgesetzverletzung selbst an, nicht dagegen auf einen nicht zum Tatbestand gehörenden Verletzungserfolg. §§ 315, 316 StGB seien Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Dem Beklagten sei im Übrigen auch die Gefährdung seines Beifahrers durchaus bewusst gewesen. Weder stehe der Wunsch, ein Schaden möge nicht eintreten, stets der Billigung der die Gefährdung begründenden Umstände entgegen, noch müsse der Schädiger den tatsächlich entstandenen Schaden gebilligt haben. Schließlich habe der Beklagte zumindest den Tatbestand des § 316 StGB vorsätzlich verwirklicht.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der von dem Beklagten in dem über sein Vermögen vor dem AG Braunschweig - Insolvenzgericht - anhängigen Insolvenzverfahren 273 IN 505/02 am 24.6.2004 erhobene Widerspruch gegen das Privileg der vorsätzlichen unerlaubten Handlung der der Klägerin gemäß Vollstreckungsbescheid des AG Braunschweig vom 24.1.1995 - 70 B 5780/94 - zustehenden titulierten und im Insolvenzverfahren am 6.3.2003 angemeldeten Forderung unbegründet ist.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Auf die Frage, ob §§ 315c, 316 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB im Falle der vorsätzlichen Verwirklichung des Straftatbestandes einen Anspruch begründen würden, komme es nicht an, da hier der Beklagte die Verletzungen seines Beifahrers nur fahrlässig verursacht habe. Im Übrigen sei § 302 Nr. 1 InsO als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen; erst der vorsätzlich herbeigeführt...

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