Leitsatz (amtlich)

1. Bei Grundstücksgeschäften unterliegen dem Beurkundungserfordernis nicht nur die Verpflichtung des Veräußerers zur Grundstücksübertragung, sondern alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt; dabei spielt es keine Rolle, inwieweit die einzelnen Ansprüche aus dem Vertrag nach Kauf- oder Werkvertragsrecht zu beurteilen sind.

2. Das Formerfordernis gilt auch, wenn weitere, nicht zum Grundstücksgeschäft gehörende Vereinbarungen mit diesem eine rechtliche Einheit bilden sollen. Das ist dann der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Vertragschließenden derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander "stehen und fallen" sollen.

3. Allein eine wirtschaftliche Verknüpfung eines Bauvertrages mit einem Grundstückskaufvertrag gebietet nicht, das Formerfordernis des § 311 b BGB auf den Bauvertrag zu erstrecken. Erst bei einer Abhängigkeit des Grundstücksgeschäfts vom Bauvertrag besteht Anlass, zur Wahrung der Funktionen des § 311 b BGB (Warn- und Schutzfunktion, Gewährsfunktion für richtige, vollständige und rechtswirksame Wiedergabe des Parteiwillens, Beweisfunktion) das Formgebot auf den Bauvertrag zu erstrecken.

4. Die wirksame Auflassung und die wirksame Eintragung im Grundbuch zusammen haben heilende Wirkung für den Formverstoss. Das gilt auch für die Heilung eines nicht mitbeurkundeten, an sich formfreien und nur wegen des Verknüpfungswillens formbedürftigen Vertrages. Die Heilung tritt nicht bereits durch Erfüllung dieses an sich formfreien Vertrages ein.

5. Eine von § 3 Abs. 2 MaBV abweichende Vereinbarung zwischen einem Bauträger und einem Auftraggeber ist gemäß § 134 BGB nichtig. Die Nichtigkeit erfasst ausschließlich die von § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 2 MaBV abweichende Vereinbarung, mithin alle Abschlagszahlungen, und berührt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht. An die Stelle der nichtigen Vereinbarung tritt die Regelung des § 641 Abs. 1 BGB, so dass mit der Abnahme die Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers fällig wird.

6. Der Begriff "schlüsselfertig" ist die Beschreibung einer Pauschalierung des Leistungsinhalts. Daher gehen konkrete Leistungsbeschreibungen vor. Nur soweit diese Lücken aufweisen, können diese durch die Pauschalangabe "schlüsselfertig" gefüllt werden.

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 02.11.2022; Aktenzeichen VII ZR 22/20)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 06. Dezember 2016 - Az.: 8 O 203/14 - wird in Höhe eines Betrages von 3.783,00 Euro nebst Zinsen (Berufungsantrag zu 3.) als unzulässig verworfen. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zum Widerklageantrag zu 1. klarstellend wie folgt lautet: Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der zwischen den Streitparteien geschlossene notarielle Bauträgervertrag vom 07.10.2013, Urkunde Nr. ... der Urkundenrolle 2013 des Notars Dr. jur. M. K., wirksam ist.

II. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 06. Dezember 2016 - Az.: 8 O 203/14 - hinsichtlich des Widerklageausspruchs teilweise abgeändert und insofern wie folgt neu gefasst:

1. Die Klägerin wird verurteilt, an die Kreis-Sparkasse N. auf das dort für die Klägerin geführte Konto Nr. ... einen Betrag in Höhe von 302.151,79 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2014 zu zahlen und zwar Zug-um-Zug gegen Übergabe der im Objekt H.-straße 1/2 in ... N. gelegenen Eigentumswohnung Aufteilungsplan Nr. 1 (1.OG), Eigentumswohnung Aufteilungsplan Nr. 2 (1.OG), Tiefgaragenstellplatz Aufteilungsplan Nr. 14, Tiefgaragenstellplatz Aufteilungsplan Nr. 15 und der Gewerbefläche Aufteilungsplan Nr. 10 (EG).

2. Es wird festgestellt, dass sich die Klägerin mit der Übernahme der von ihr im Objekt H.-straße 1/2 in ... N. erworbenen Eigentumswohnung Aufteilungsplan Nr. 1 (1.OG), Eigentumswohnung Aufteilungsplan Nr. 2 (1.OG), Tiefgaragenstellplatz Aufteilungsplan Nr. 14, Tiefgaragenstellplatz Aufteilungsplan Nr. 15 und der Gewerbefläche Aufteilungsplan Nr. 10 (EG) seit dem 02.09.2014 in Verzug befindet und seit dem in dem durch den Bauträgervertrag vom 07.10.2013 (UR-Nr. ... der Urkundenrolle für 2013 des Notars Dr. K.) zwischen den Streitparteien geschaffenen Rechtsverhältnis für das Gemeinschaftseigentum und für das Sondereigentum der von der Klägerin gekauften Wohnungs- und Teileigentume die Wirkungen einer Abnahme eingetreten sind.

3. Es wird weiter festgestellt, dass die Klägerin der Beklagten jedweden aus der nicht erfolgten Übernahme der im Objekt H.-straße 1/2 in ... N. gelegenen Eigentumswohnung Aufteilungsplan Nr. 1 (1.OG), Eigentumswohnung Aufteilungsplan Nr. 2 (1.OG), Tiefgaragenstellplatz Aufteilungsplan Nr. 14, Tiefgaragenstellplatz Aufteilungsplan Nr. 15 und der Gewerbefläche Aufteilungsplan Nr. 10 (EG) entstandenen und zukünftig entstehenden Schaden zu ersetzen hat.

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