Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz bei Durchsetzung von Ansprüchen ausländischen Rechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit der Durchsetzung einer Forderung, deren Beurteilung und Bezifferung ohne Kenntnisse eines ausländischen (hier schweizerischen) Rechts nicht wirkungsvoll und sachgerecht möglich ist, überschreitet ein in Deutschland registrierter Inkassodienstleister die Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG), wenn er nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 RDG für die Erbringung der Rechtsdienstleistungen in dem betreffenden ausländischen Recht registriert ist und damit nicht über die erforderliche eigene besondere Sachkunde verfügt.

2. Das Erfordernis der eigenen besonderen Sachkunde auf Seiten des Inkassodienstleisters entfällt nicht dadurch, dass er einen Rechtsanwalt mit der weiteren Durchsetzung der an ihn abgetretenen Forderung beauftragt.

3. Die Überschreitung der Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen hat im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18 - aufgestellten Grundsätze die Nichtigkeit der Abtretung der Forderung an den Inkassodienstleister zur Folge.

 

Normenkette

BGB § 134; RDG §§ 1-3, 10 Abs. 1; RDV § 2

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.06.2022; Aktenzeichen VIa ZR 418/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30.04.2020 - Az.: 11 O 3092/19 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Wert des Streitgegenstandes im Berufungsrechtszug wird auf die Wertstufe bis 5.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin macht als Inkassounternehmen aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche eines in der Schweiz ansässigen Käufers eines Fahrzeuges VW T. geltend, das über einen Dieselmotor vom Typ EA 189 verfügt.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (LGU, Seiten 2 - 9, Bl. 821 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, dass die Klägerin für die Geltendmachung des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs nicht aktivlegitimiert sei, weil die Abtretung dieses Anspruchs gemäß § 134 BGB nichtig sei. Allerdings sei die Abtretung nicht schon wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB unter dem Gesichtspunkt nichtig, dass mit der Klägerin als Zessionarin eine vermögenslose Partei vorgeschoben werde. Die Klägerin habe gleich zwei verbindliche Zusagen Dritter vorgelegt, wonach die Firmen B. G. F. LLC und B. C. UK für die der Klägerin entstehenden Kosten der Klagen gegen die Beklagte aufkämen. Dass diese Zusagen nicht werthaltig seien, habe die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargetan. Die streitgegenständliche Forderungsabtretung sei jedoch gemäß § 134 BGB nichtig, weil die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell die Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen überschreite und dies zur Nichtigkeit der Abtretung führe. Der Umstand, dass die Klägerin bestrittene Forderungen einziehe, begründe allerdings nicht eine Überschreitung ihrer Dienstleistungsbefugnis. § 79 Abs. 1 S. 2 ZPO mache nur dann Sinn, wenn der Inkassodienstleister auch bestrittene Forderungen einziehen dürfe. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in seiner sog. Inkasso II-Entscheidung (Beschluss vom 14.08.2004 - BvR 725/03) die Befugnis eines Inkassodienstleisters zur Einziehung bestrittener Forderungen bejaht. Eine Überschreitung der Dienstleistungsbefugnis der Klägerin sei auch dann nicht anzunehmen, wenn ihr Geschäftsmodell faktisch ausschließlich auf eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche gerichtet gewesen wäre. Der Gesetzgeber habe die Tätigkeit des Rechtsdienstleisters nicht auf vorgerichtliche Tätigkeiten beschränken, sondern lediglich zwecks Schutzes der Rechtspflege die Gerichte vor direkter Ansprache durch Inkassounternehmen bewahren wollen. Eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin liege auch nicht darin, dass sie bei der Beurteilung der abgetretenen Forderungen schwierige Rechtsfragen zu klären habe. Dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) sei nicht zu entnehmen, dass der Inkassodienstleister in seiner Tätigkeit auf rechtlich einfach gelagerte Fälle beschränkt werden solle. Der Umstand, dass die Klägerin zur eigenständigen Steuerung des Prozesses der Rechtsdurchsetzung und insbesondere zur eigenständigen Entscheidung über den Abschluss eines Vergleichs befugt sei, begründe nicht die Überschreitung ihrer Inkassodienstleistungsbefugnis. So sei der Inkassodienstleister ...

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