Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 11.03.1999; Aktenzeichen 10 O 554/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Schluss-Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11. März 1999 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über das Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Braunschweig vom 09. Mai 1996 hinaus, einen weiteren Betrag von 1.413,09 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.0:1991 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, au die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 DM abzgl. bereits gezahlter 8338,78 DM nebst 4 % Zinsen auf 3.661,22 DM seit dem 04.02.1991 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle künftig entstehenden materiellen Schäden aufgrund des Verkehrsunfalls vom 27.10.1989 auf der Bundesautobahn 7 in Höhe von 70 % und alle künftig entstehenden immateriellen Schäden aufgrund dieses Unfalls unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 30 % zu ersetzen, soweit, die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in I. Instanz tragen die Klägerin 68 % und die Beklagte 32 %; von den Kosten in II. Instanz tragen die Klägerin 37 % und die Beklagte 63 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Beschwer der Klägerin: 3.020,19 DM.

Beschwer der Beklagten: 5474,31 DM.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist teilweise begründet. Mit Erfolg macht die Klägerin geltend, dass sie nur mit einem Anteil von 30 % mitzuhaften habe, da sie zur Zeit des Unfalls nicht angegurtet gewesen ist. Weiterhin. kann sie einen zusätzlichen Betrag von der Beklagten im Hinblick auf die Besuche ihrer Eltern im. Krankenhaus verlangen. Der Senat ist auch der Auffassung, dass die Klägerin ein deutlich höheres Schmerzensgeld beanspruchen kann, als es vom Landgericht zugebilligt worden ist.

I. Die Anspruchsgrundlagen für die Haftung der Beklagten stellen die §§ 823, 847, 254 BGB i.V.m. §§ 1, 3 PflVG dar, nicht aber § 7 StVG, da diese Gefährdungshaftung für unentgeltliche Fahrten gemäß § 8 a Abs. 1 Satz 1 StVG ausgeschlossen ist. Da der Zeuge xxx als Fahrer des Pkw, der bei der Beklagten versichert ist, unstreitig aus Unachtsamkeit von der linken Autobahnspur nach rechts abkam und gegen einen auf der rechten Fahrspur fahrenden VW-Bus stieß, sind aber im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Verschuldenshaftung nach den §§ 823 ff. BGB erfüllt. Hierbei ist bei der vorliegend unstreitig durchgeführten Gefälligkeitsfahrt kein stillschweigender Haftungsverzicht anzunehmen, weil das Mitnehmen aus reiner Gefälligkeit kein Rechtfertigungsgrund dafür ist, dem mitgenommener Insassen Schadensersatzansprüche zu versagen (Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden; 20. Aufl., Rdn. 253 m.w.N.). Dies begründet nach dem Pflichtversicherungsgesetz auch einen Direktanspruch des verletztet Insassen gegenüber dem Versicherer des Kraftfahrzeugs (vgl. Becker/Böhme, aaO., Rdn. Q 93).

Die Klägerin fordert zurecht eine Herabsetzung ihrer Mithaftungsquote von 40 % auf 30 %, so dass der von ihr insoweit geforderte Betrag von 1.009,33 DM (basierend auf dem nicht mehr angegriffenen Schadensbetrag, welcher vom Landgericht mit 6.055,96 DM auf der Basis einer Haftungsquote der Beklagten in Höhe von 60 % errechnet worden ist) gerechtfertigt ist. Dieser Mithaftungsquote liegen folgende Überlegungen zugrunde:

Grundsätzlich ist eine Mithaftung gemäß § 254 BGB wegen Nichtangurtens, anzunehmen, da aufgrund des Gemeinschaftsgutachtens der Sachverständigen xxx und xxx unstreitig geworden ist, dass die Klägerin, wenn sie angeschnallt gewesen wäre, wesentlich geringere Verletzungen erlitten hätte. Insbesondere wäre die Armplexusverletzung, welche Dauerfolgen gezeitigt hat, höchstwahrscheinlich nicht aufgetreten; die Kopfverletzungen wären weniger schwerwiegend geblieben. Obwohl das Nichtanschnallen mehrere zugleich eintretende Körperschäden unterschiedlich beeinflussen kann, darf eine durchschnittlich angemessene einheitliche Mitschuldquote angenommen werden (BGH, NJW 1980, 2125; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 21 a StVO Rdn. 9 b).

Wegen der Vielfalt der möglichen Einzelfallgestaltungen lassen sich feste Richtlinien nicht aufstellen. Stets kommt es auf die Abwägung der einzelnen Umstände des zu entscheidenden Falls an: einerseits darauf, wie es zu dem vom Schädiger zu verantwortenden Unfall gekommen ist, andererseits darauf, warum sieh der Verletzte nicht angegurtet hatte, und vor allem auf das Gewicht dieser Säumnis (OLG Frankfurt, VersR 1987, 670; Jagusch/Hentschel, aaO.,. § 21 a StVO Rdn. 9 b; m.w.N.). Im Allgemeinen schwankt die Quote von 20 bis 25 %, insbesondere bei grob fahrlässiger Schadensverursachung durch den Schädiger (OLG Frankfurt, aaO., m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist der Mitverschuldensbeitrag d...

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