Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergerichtliche Einigungsgebühr für beigeordneten Anwalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den beigeordneten Anwalt kann im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG auch eine Gebühr für eine außergerichtliche Einigung festgesetzt werden.

2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Anwalts für ein Gerichtsverfahren umfasst gem. § 48 Abs. 1 RVG i.V.m. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG auch außergerichtliche Verhandlungen und damit auch den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs.

3. Eine Einschränkung der gebührenrechtlichen Erstattungsfähigkeit einer außergerichtlichen Einigungsgebühr für den beigeordneten Rechtsanwalt ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck in § 48 RVG oder den übrigen Vorschriften des 8. Abschnittes des RVG.

4. Würde man die Erstattungsfähigkeit einer Gebühr für eine außergerichtliche Einigung ablehnen, so würde dies zu einer Schlechterstellung des beigeordneten Rechtsanwalts führen, da ihm keine anderweitige Möglichkeit zur Durchsetzung seines Anspruchs ggü. der Staatskasse verbliebe.

 

Normenkette

RVG §§ 19, 48, 55

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 03.05.2006; Aktenzeichen 12 T 257/06 (025))

AG Braunschweig (Beschluss vom 21.02.2006; Aktenzeichen 121 C 4128/05)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG ... gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des LG Braunschweig vom 3.5.2006 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 219,24 EUR.

 

Gründe

I. In Streit steht die Erstattungsfähigkeit einer Einigungsgebühr für eine außergerichtliche Einigung durch einen beigeordneten Rechtsanwalt gem. § 55 RVG.

Die Verfügungsantragstellerin hat beim AG Braunschweig den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der der Verfügungsantragsgegnerin untersagt werden sollte, ein von der Verfügungsantragstellerin verfasstes Gedicht über die Liebe zu veröffentlichen. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs bewilligte das AG Braunschweig der Verfügungsantragstellerin unter Beiordnung der Antragstellerin mit Beschluss vom 2./10.11.2005 (AG Braunschweig, Beschl.v. 2./10.11.2005, NJW-RR 1998, 1694) Prozesskostenhilfe.

Die zuständige Richterin des AG setzte einen Termin zur mündlichen Verhandlung an und legte der Verfügungsantragsgegnerin nahe, die von der Verfügungsantragstellerin vorprozessualg eforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, damit der Rechtsstreit anschließend für erledigt erklärt werden könnte.

Nach Angaben der Antragstellerin kam es daraufhin zu einem Telefonat zwischen ihr und der Verfügungsantragsgegnerin. In diesem Telefonat habe sie sich mit der Verfügungsantragsgegnerin dahingehend geeinigt, dass diese eine Unterlassungserklärung abgibt und die Verfügungsantragstellerin ihm Gegenzug auf den Ersatz immaterieller Schäden verzichtet. Außerdem habe man vereinbart, dass das einstweilige Verfügungsverfahren für erledigt erklärt werden sollte.

Nach Eingang der unterzeichneten Unterlassungserklärung erklärte die Antragstellerin den Rechtsstreit im Auftrag der Verfügungsantragstellerin für erledigt. Das AG beschloss daraufhin gem. § 91a Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO, der Verfügungsantragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragte sodann die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren, darunter auch einer außergerichtlichen Einigungsgebühr zu dem vom Gericht festgesetzten Streitwert (3.000 EUR) i.H.v. 189 EUR zzgl. 16 % MwSt.

Das AG hat die Einigungsgebühr im Beschluss vom 21.2.2006 (AG Brauchschweig v. 21.2.2006 - 121 C 4128/05) nicht als erstattungsfähig angesehen und hierzu ausgeführt, dass deren Festsetzung einen gerichtlich protokollierten Vergleich voraussetze. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 25.2.2006. Aufgrund dieser Beschwerde hat das LG Braunschweig mit Beschluss vom 3.5.2006 (LG Braunschweig, Beschl. v. 3.5.2006 - 12 T 257/06, 025) den Beschluss des AG Braunschweig vom 21.2.2006 abgeändert und der Antragstellerin zusätzlich zu den übrigen Gebühren eine Einigungsgebühr für den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs zuerkannt. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG ... vom 9.5.2006, der das LG Braunschweig nicht abgeholfen hat.

Der Bezirksrevisor beim LG ... ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung des BGH, der mit Beschluss vom 28.3.2006 (BGH v. 8.2.2006 - XII ZR 57/03, BGHReport 2006, 872 = NJW 2006, 1523) entschieden hat, dass im Kostenfestsetzungsverfahren eine Einigungsgebühr für einen außergerichtlichen Vergleichsabschluss nicht zuerkannt werden könne, auf das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG entsprechend anwendbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Beschluss des LG Braunschweig vom 3.5.2006 (LG Braunschweig, Beschl. v. 3.5.2006 - 12 T 257/06 (025), Bl. 32 im PKH-Heft) Bezug genommen.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, ab...

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