Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich: Geringfügigkeitsprüfung bei Anrechten auf Grundrentenzuschlag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG ist der mit der Teilung von Anrechten auf Grundrentenzuschlag verbundene Verwaltungsaufwand in Folge der dadurch veranlassten jährlichen Prüfung der Einkommensanrechnung nach § 97a Abs. 6 SGB VI regelmäßig als nicht unerheblich zu gewichten.

2. Auf der anderen Seite ist die wirtschaftliche Bedeutung des Ausgleichs für den Ausgleichsberechtigten zu beachten, die insbesondere bei beengten finanziellen Verhältnissen und einem wirtschaftlich nicht völlig bedeutungslosen Ausgleichswert den Ausschlag für den Ausgleich geben kann.

 

Normenkette

SGB VI §§ 76g, 97a; VersAusglG § 2 Abs. 2, § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Hann. Münden (Aktenzeichen 6 F 26/22)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung ... wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hann. Münden vom 20.02.2023 in Ziffer II. des Entscheidungstenors um folgenden Absatz ergänzt:

Zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Versicherungsnummer ...) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 0,4429 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (Grundrentenzuschlag) auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Versicherungsnummer ...), bezogen auf den 31.01.2022, übertragen.

II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

III. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die im Scheidungsverbund getroffene Entscheidung über den Versorgungsausgleich.

Die Antragstellerin hat in der für den Versorgungsausgleich relevanten Ehezeit vom TT.MM.2006 bis zum TT.MM.2022 Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung ... zu Versicherungsnummer ... erworben. Der Versorgungsträger hat in der Auskunft vom TT.MM.2022 hinsichtlich der allgemeinen Rentenversicherung einen Ehezeitanteil von 5,8029 Entgeltpunkten mitgeteilt und einen Ausgleichswert von 2,9015 Entgeltpunkten vorgeschlagen. Ferner besteht nach der Auskunft ein ehezeitlicher Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrentenzuschlag) in Höhe von 0,8858 Entgeltpunkten, von denen nach dem Vorschlag 0,4429 Entgeltpunkte ausgeglichen werden sollen. Der Antragsgegner hat ausweislich der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ... vom TT.MM.2023 kein ehezeitliches Anrecht auf Grundrentenzuschlag erworben.

Auf den am TT.MM.2022 zugestellten Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 20.02.2023 die am TT.MM.2006 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Hinsichtlich der Anrechte der Antragstellerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat es lediglich die in der allgemeinen Rentenversicherung erworbenen Entgeltpunkte berücksichtigt und den Grundrentenzuschlag unerwähnt gelassen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Deutsche Rentenversicherung ... mit ihrer Beschwerde vom 07.03.2023, mit der sie geltend macht, im Rahmen der Durchführung des Versorgungsausgleichs sei auch eine Aussage über den Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung zu treffen.

Die Antragstellerin hat sich zu der Beschwerde zustimmend geäußert und angegeben, ihr Anrecht aus dem Grundrentenzuschlag mit einem Ausgleichswert von 0,4429 Entgeltpunkten sei zu berücksichtigen. Der Antragsgegner hat nicht zu der Beschwerde Stellung genommen.

II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde führt dazu, dass hinsichtlich des Anrechts der Antragstellerin aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung ein Ausgleich im Wege der internen Teilung durchzuführen ist.

1. Bei dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung i.S.v. § 76g SGB VI handelt es sich um ein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Anrecht gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG (vgl. BGH, Beschluss vom 01.03.2023 - XII ZB 360/22, juris Rn. 8). Es ist auf eine Rente gerichtet, dient der Absicherung im Alter oder bei Invalidität und wird auch durch Arbeit geschaffen und aufrechterhalten, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Höhe des Rentenanspruchs mit der Höhe der erbrachten Beitragszahlungen korrespondiert (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11).

2. Das Anrecht ist auch ausgleichsreif i.S.v. § 19 Abs. 2 VersAusglG. Insbesondere ist es hinreichend verfestigt i.S.v. § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG. Maßgebend ist insoweit, ob der Versorgungswert in seiner Bezugsgröße dem Grund und der Höhe nach nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Dies ist hier unabhängig davon der Fall, ob künftig unter Berücksichtigung der nach § 97a SGB VI durchzuführenden Einkommensanrechnung eine Grundrente zu leisten sein sollte ...

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