Verfahrensgang

LG Göttingen (Beschluss vom 23.02.2007; Aktenzeichen 4 O 68/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Streitwertbeschluss des LG Göttingen vom 23.2.2007 - 4 O 68/06 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Streitwert des Rechtsstreits einschließlich des Vergleiches wird auf 69.120 EUR festgesetzt (Klageantrag zu 1.: 34.560 EUR; Klageantrag zu 2.: 34.560 EUR).

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie eine Heraufsetzung des Streitwertes auf 110.914,56 EUR erstreben, ist zulässig gem. §§ 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG, 32 Abs. 2 Satz 1 RVG und hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Bewertung von (schuldrechtlichen und dinglichen) Wohnrechten ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (zum Meinungsstand vgl. Schneider-Herget, Der Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rz. 6327 ff.). Bei der Bewertung von Wohnrechten sind miet-ähnliche Wohnrechte und sonstige Wohnrechte zu unterscheiden. Bei ersteren ist das Wohnrecht von einer Gegenleistung abhängig, bei letzteren erfolgt die Ausübung unentgeltlich. Bei unentgeltlichen Wohnrechten wie dem vorliegendem ist der Gebühren-streitwert nach überwiegender Rechtsauffassung gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen (vgl. BGH, n. v. Beschl. v. 20.10.2005 - V ZR 73/05; BGH NJW-RR 1994, 909; BGH, Beschl. v. 23.9.1992 - XII ZR 33/02 - veröffentlicht in juris; OLG Köln Jur. Büro 2006, 477). Allerdings besteht keine Einigkeit darüber, woran sich die Bewertung nach freiem Ermessen orientieren soll. Der BGH tendiert - entgegen der Zitierung bei Schneider/Herget, a.a.O., Rz. 6340 - zu einer entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 2 KostO und hält § 9 ZPO entgegen einem Teil der Rechtsprechung und Literatur für nicht anwendbar (vgl. BGH NJW-RR 1994, 909 sowie BGH, Beschl. v. 23.9.1992 - XII ZR 33/92, veröffentlicht in juris; ebenso OLG Köln Jur. Büro 2006, 477 und OLG Braunschweig, n. v. Urteil vom 29.4.1999 - 2 U 2/99 - sowie OLG Braunschweig, n. v. Beschl. v. 19.10.1988 - 2 W 139/88; andere Ansicht OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 - 13 W 14/00, OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2003 - 11 W 408/03, veröffentlicht in juris, beide für die Anwendung von § 16 GKG analog sowie OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2006 - 19 W 16/06 -, veröffentlich in juris, für die Anwendung des § 9 ZPO). Der zuerst genannten Rechtsauffassung ist zu folgen. Beim unentgeltlichen Dauerwohnrecht geht es nicht um ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen i.S.d. § 9 ZPO, sondern um ein dauerndes Recht, welches nicht periodisch strukturiert ist. Im Übrigen fehlt es an der Entgeltlichkeit der Nutzung. Daher finden die §§ 16 GKG a.F., 41 GKG n.F. und § 9 ZPO, die auf Miet-, Pacht- und ähnliche Nutzungsverhältnisse zugeschnitten sind, keine Anwendung (so auch BGH, n. v. Beschl. v. 20.10.2005 - V ZR 73/05).

Bei der Bewertung ist damit vom Wert des Wohnrechts auszugehen, welches der Kläger mit 384 EUR pro Monat beziffert hat. Zur Ermittlung des Gesamtwertes des Rechts ist sein Jahreswert mit einem Faktor zu vervielfältigen, der aus einer entsprechenden Anwendung der Tabelle in § 24 Abs. 2 KostO zu entnehmen ist. Der Beklagte war zu dem für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Klage (§§ 4 Abs. 1 ZPO, 12 Abs. 1 GKG) 72 Jahre alt. Er ist deshalb in die Stufe 7 des Tabellenrahmens (über 65 Jahre bis zu 75 Jahren) einzuordnen. Der Wert der einjährigen Nutzung (12 × 384 EUR = 4.608 EUR) ist mit dem Faktor 7,5 (= 34.560 EUR) zu multiplizieren. Ein Feststellungsabschlag ist nicht veranlasst, da es sich um eine negative Feststellungsklage handelt (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 ZPO unter 'Feststellungsklage').

Da der Feststellungsantrag zu 1. und der Räumungsantrag zu 2. nicht denselben Streitgegenstand haben, weil die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils von demjenigen des Räumungsurteils verschieden ist, ist der Streitwert des Räumungsantrages gesondert zu bewerten. Es besteht auch keine wirtschaftliche Identität, denn aufgrund einer stattgebenden Feststellungsklage wäre auch der Anspruch des Beklagten darauf entfallen, aufgrund von § 2 Abschnitt II des notariellen Testamentes vom 9.12.1997 - UR-Nr. 129/1997 - (Anlage 1, Bl. 1 ff. des Anlagenbandes) die Eintragung des Wohnrechts im Grundbuch zu verlangen. Damit verbunden ist eine Befreiung der Immobilie von einer möglichen dinglichen Belastung. Dieser Fall ist von denjenigen Fällen zu unterscheiden, in denen neben einem Räumungsanspruch ein Anspruch auf Nichtbestehen eines Besitzrechtsverhältnisses geltend gemacht wird. Während der Klageantrag zu 2. auf Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung gerichtet ist, besteht die wirtschaftliche Bedeutung des Klageantrag zu 1. in der Beseitigung einer Verfügungsbeschränkung des Klägers. Der Wert beider Anträge ist daher gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen. Den Wert...

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