Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe für Scheidung von Scheinehe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Liegen die Voraussetzungen sowohl der Ehescheidung als auch der Eheaufhebung vor, haben die Ehegatten die Wahl zwischen beiden Anträgen. Die beabsichte Rechtsverfolgung ist nicht mutwillig.

2. Beide Ehegatten trifft eine gesteigerte Pflicht, Rücklagen für die Kosten eines bereits absehbaren Eheaufhebungs- oder Scheidungsverfahrens zu bilden, wenn sie rechtsmissbräuchlich die Ehe geschlossen haben. Verfahrenskostenhilfe kann nur versagt werden, wenn ein Vermögen oder Einkommen vorhanden war, aus dem Rücklagen hätten gebildet werden können. Liegt die Eheschließung lange zurück, dürfen die Anforderungen an die Darlegung einer fehlenden Möglichkeit der Rücklagenbildung nicht überspannt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 1313, 1314 Abs. 2 Nr. 5, §§ 1565-1566; FamFG § 126 Abs. 3; ZPO § 114 Abs. 2, § 115

 

Verfahrensgang

AG Braunschweig (Beschluss vom 25.05.2016; Aktenzeichen 247 F 128/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des AG - Familiengericht - Braunschweig vom 25.05.2016 abgeändert. Dem Antragsteller wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Dietmar Wölker, Schöppenstedt, bewilligt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der am 18.07.1975 geborene Antragsteller und die am 16.10.1958 geborene Antragsgegnerin haben am 31.07.2000 vor dem Standesbeamten in Braunschweig (Heiratsregisternummer 708/00) die Ehe geschlossen. Die Beteiligten sind deutsche Staatsangehörige, der Antragsteller hatte zur Zeit der Heirat die syrische Staatsangehörigkeit.

Gegen die Beteiligten wurde das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig zum Aktenzeichen 301 Js 45297/02 wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz geführt. Die Antragsgegnerin akzeptierte den in diesem Verfahren erlassenen Strafbefehl des AG Braunschweig vom 30.06.2003 (10 CS 301 Js 45297/02), in dem ihr vorgeworfen wurde, am 11.08.2000, 15.10.2001 und 28.10.2002 dem Antragsteller vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat, nämlich unrichtige Angaben gemacht zu haben, um für sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu schaffen, Hilfe geleistet zu haben, indem sie erklärt habe, mit ihm in einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu leben, obwohl die Ehe am 31.07.2000 nur zum Schein eingegangen sei. Gegen die Antragsgegnerin wurde eine Gesamtgeldstraße von 70 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verhängt, die sie erfüllt hat. Gegen den Antragsteller erging ebenfalls ein Strafbefehl. Auf seinen Einspruch wurde das Verfahren in der Hauptverhandlung vom 07.10.2004 gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen die Zahlung einer Auflage vorläufig und nach Erfüllung der Auflage endgültig eingestellt.

Der Antragsteller beantragt die Scheidung der Ehe. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 13.06.2016 ebenfalls die Scheidung der Ehe beantragt. Mit weiterem Schriftsatz vom 06.09.2016 beantragt sie, die Ehe der Beteiligten gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB aufzuheben. Sie behauptet, die Ehe sei nur zum Schein eingegangen worden, eine Lebensgemeinschaft habe nie bestanden.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.07.2016 hat das AG den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil es sich um eine Scheinehe gehandelt habe, die nicht geschieden, sondern nur gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB aufgehoben werden könne. Gegen den ihm am 02.08.2016 zu Händen seines Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 23.08.2016 beim AG eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung bestreitet der Antragsteller das Vorliegen einer Scheinehe und trägt vor, die Beteiligten hätten vom 17.08.2000 bis zum 13.08.2003 einen gemeinsamen Wohnsitz in Braunschweig gehabt, und zwar zunächst in der Lenaustraße 1 und sodann in der Celler Straße 93 f. Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO statthaft und im Übrigen zulässig, sie ist auch in der Sache begründet.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen einer Scheidung gemäß §§ 1565, 1566 BGB liegen vor, da die Beteiligten in den letzten 3 Jahren unstreitig nicht zusammen gelebt haben; die Voraussetzungen einer Eheaufhebung dürften ebenfalls vorliegen. Beide Anträge können zulässigerweise nebeneinander gestellt werden, wie sich aus § 126 Abs. 3 FamFG ergibt. Wenn sowohl die Voraussetzungen des § 1314 BGB als auch die der §§ 1565 ff. BGB vorliegen, haben die Ehegatten die Wahl zwischen beiden Möglichkeiten und können ohne Weiteres von dem einen auf den anderen Antrag übergehen (§ 113 Abs. 4 Nr. 2 FamFG; v...

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