Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorerbschaft und Verfügung über Gegenstände; Rückübertragung von Grundstücken. Vererbschaft. Verfügung. Rückübertragung

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Erblasser in seinem Testament eine "Vorerbenschaft" angeordnet, so kann der vorerbe bedachte in der Regel nur eingeschränkt über das Erbe verfügen. Wenn er Gegenstände verschenkt oder deutlich unter Wert abgibt, kann der nacherbe sie gegebenenfalls vom Empfänger zurück verlangen.

 

Normenkette

BGB § 2113 Abs. 2 S. 1, Abs. 1; ZPO § 264 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Urteil vom 23.07.2008; Aktenzeichen 12 O 171/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 23.7.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Coburg geändert und in Ziff. 1 wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, darin einzuwilligen, dass das Grundbuch des AG Coburg für A., Band ..., Bl. 1..., dahin berichtigt wird, dass Eigentümer der dort vorgetragenen Grundstücke

a) der Gemarkung A. Fl. Nrn. 5..., 5..., 5..., 6.../3, 7..., 7..., 7..., 8..., 9..., 8.../4, 7.../1, 7..., 8...,

b) der Gemarkung B., Fl. Nr. 9..., 9.../1, 9.../1,

c) der Gemarkung C., Fl. Nr. 5...,

mit Ausnahme der gemäß Vertrag des Notars G., vom 1.7.2003, UR-Nr. ...-G-2003, an die Bundesrepublik Deutschland überlassenen Straßenflächen der Grundstücke Fl. Nr. 8.../4 (ca. 3679 qm) und Fl.-Nr. 8... (ca. 3918 qm) der Gemarkung A. sowie der Fl. Nr. 5... (ca. 1200 qm) der Gemarkung C.,

d) der Gemarkung A., Miteigentumsanteil zu ½ an dem Grundstück Fl. Nr. 8...

die Klägerin ist, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 185.000 EUR und Rückübereignung des Grundstücks FlNr. 4... der Gemarkung D., vorgetragen im Grundbuch des AG Lichtenfels für D. Band ..., Bl. 7.. ..

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 200.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 394.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Rückübertragung von an den Beklagten aufgelassenen Grundstücken.

Die am 1.6.2000 verstorbene Erblasserin H. setzte mit Testament vom 7.4.1997 die Geschwister I. und K. als Vorerben und die Klägerin als Nacherbin ein. Beide Vorerben sind mittlerweile verstorben. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte ein umfangreicher Immobilienbesitz der Gemarkungen A., B. und C.. Die einzelnen Grundstücke sind in Ziff. 1 des Klageantrags (Bl. 2 d.A.) näher bezeichnet. Mit notariellem Vertrag vom 22.10.2003 tauschte der Vorerbe K. die im Klageantrag genannten Grundstücke gegen das Grundstück Fl. Nr. 401 der Gemarkung D., welches zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten gehörte. Bei diesem Grundstückstauschvertrag bewerteten die Parteien den Grundbesitz der Erblasserin, der eine Gesamtfläche von 174.531 qm umfasste, mit 281.336 EUR und den Wert des Grundstücks des Beklagten mit einer Fläche von 2007 qm mit 96.336 EUR, weshalb der Beklagte 185.000 EUR zusätzlich in bar an den Vorerben K. zahlte.

Die Klägerin als Nacherbin der verstorbenen H. möchte im vorliegenden Rechtsstreit die Rückübertragung dieser Grundstücke erreichen und behauptet dazu, der Grundstückstauschvertrag sei gem. § 2113 Abs. 2 S. 1 1. Alt. BGB mit Eintritt der Nacherbfolge unwirksam geworden, weil eine objektive Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten geleisteten Zahlung nicht vorgelegen habe. Dieses Ungleichgewicht zwischen den ausgetauschten Leistungen sei für den Vorerben K. auch erkennbar gewesen. Zudem habe das Grundstück des Beklagten entgegen der Bewertung der Parteien des Grundstückstauschvertrages lediglich einen Wert von 40.500 EUR.

Der Beklagte beantragte erstinstanzlich, die Klage abzuweisen. Er meint, die geschuldete Leistungen des Tauschvertrags hätten im Gleichgewicht gestanden. Davon seien zumindest beide Parteien bei Abschluss des Vertrages ausgegangen. Ein unentgeltlicher Erwerb durch den Beklagten i.S.d. § 2113 Abs. 1 BGB habe daher nicht vorgelegen. Jedenfalls habe dem Vorerben K. die erforderliche Kenntnis von einer möglichen, teilweisen Unentgeltlichkeit der Verfügung gefehlt.

Zur Ergänzung des unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien sowie zum Wortlaut der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des LG Coburg vom 23.7.2008 verwiesen.

Das LG Coburg hat ein Sachverständigengutachten zur Bewertung der Grundstücke eingeholt und die beiden an der Gutachtenerstellung beteiligten Sachverständígen mündlich angehört. Danach hat es der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Zur Begründung führt das LG aus, der Klägerin stünde ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, weil der notarielle Tauschvertrag vom 22.10.2003 gem. § 2113 Abs. 2 S. 1 1. Alt. BGB mit dem Eintritt der Nacherbfolge unwirksam geworden sei. Es läge zumindest eine teilweise unentgeltliche Leistung des Vorerben vor. Aus dem eingeholten Sac...

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