Leitsatz (amtlich)

1. Die unzutreffende Einordnung eines Rechtsbeschwerdeangriffs als Verfahrens- oder Sachrüge ist unbeachtlich, wenn sich aus der Begründungsschrift deutlich ergibt, welche Rüge gemeint ist.

2. a) Entscheidend ist nicht die Bezeichnung der Rüge, sondern ihre wirkliche rechtliche Bedeutung, wie sie dem Sinn und Zweck des Vorbringens zu entnehmen ist.

b) Soweit das Rechtsmittelvorbringen dies erlaubt, ist der als Sachrüge bezeichnete Vortrag daher auch unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensrüge zu prüfen (u.a. Anschluss an BGH, Urteil v. 21.11.2004 - 1 StR 392/06).

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 07.10.2010 - mit Ausnahme der Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung und deren Höhe - mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat am 07.10.2010 den Betroffenen wegen einer am 22.05.2010 um 15.07 Uhr als Führer eines Pkws in G., C.-Straße begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h zu einer Geldbuße von 200 € und zu einem mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenen Fahrverbot für die Dauer eines Monats verurteilt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Amtsgericht zur Täterschaft des Betroffenen, der sich zur Sache nicht geäußert hatte, im Wesentlichen ausgeführt:

"Der Zeuge POM W. führte aus, dass aufgrund der hohen Geschwindigkeit eine an sich beabsichtigte sofortige Anhaltung nicht möglich gewesen sei. Er habe jedoch gesehen, dass es sich bei dem Fahrer um einen älteren Herrn mit grauen Haaren gehandelt habe. Letzteres habe auch der für die Anhaltung zuständige Zeuge L. beobachtet. Beide Zeugen berichteten weiter, dass sie aufgrund einer Halterfeststellung festgestellt haben, dass der fragliche Pkw auf Frau Hannelore T. (...), wohnhaft K.-Staße 43c in G. zugelassen ist.

Aus diesem Grund seien sie zu dieser Adresse gefahren. Hierbei haben sie die Ehefrau des Betroffenen angetroffen. Auf Nachfrage, wer mit dem auf sie zugelassenen Pkw (...) gefahren sei, habe sie erklärt, dass dies ihr Ehemann gewesen sei. Dieser sei soeben heimgekommen. In diesem Augenblick sei der Betroffene erschienen und habe sich als Ehemann der Halterin zu erkennen gegeben. Aufgrund dieser Aussagen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Betroffene der Fahrer des Pkw (...) war und dass dieser die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h überschritten hat. Der Betroffene passt zu der vagen Beschreibung seines Äußeren durch die Zeugen W. und L. (älterer Herr, graue Haare) wovon sich das Gericht in der Hauptverhandlung überzeugen konnte.

Der Aussage seiner Ehefrau gegenüber den Zeugen W. und L., dass er am Tattag mit dem auf sie zugelassenen Pkw unterwegs gewesen und kurz vor Eintreffen der Zeugen zu seiner Wohnung zurückgekommen sei, spricht deutlich dafür, dass es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer des Fahrzeugs zum Messzeitpunkt handelte. (...) Die Erklärung der Ehefrau des Betroffenen gegenüber den Zeugen W. und L., dass ihr Ehemann gefahren und eben zurückgekommen sei, ist auch verwertbar.

Zwar wurde die Ehefrau des Betroffenen von den Polizeibeamten nicht gemäß §§ 163 III 1, 52 I Nr. 2, III StPO über ein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt. (...) Die von der Ehefrau (...) gemachte Äußerung erfolgte (...) nicht im Rahmen einer Vernehmung und ist daher, ohne dass eine Belehrung erfolgt ist, verwertbar."

Mit der gegen diese Entscheidung geführten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene allgemein die Verletzung sachlichen Rechts und führt zur Begründung insbesondere aus, die Angaben der in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machenden Ehefrau des Betroffenen gegenüber den Zeugen seien nicht verwertbar gewesen.

II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat - vorläufig - Erfolg, da der Verwertung der Angaben der Ehefrau des Betroffenen gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten ein § 252 StPO zu entnehmendes Verwertungsverbot entgegensteht.

1. Zwar hat der Betroffene ausdrücklich nur die Sachrüge erhoben, während mit der Geltendmachung eines Beweisverwertungsverbotes, hier eines Verstoßes gegen §§ 52, 163, 252 StPO ein Verstoß gegen Verfahrensrecht behauptet wird (BayObLG NZV 2005, 492; KK/Pfeiffer/Hannich StPO 6. Aufl. Einl. Rn. 122; KK/Senge vor § 48 Rn. 53). Ob hier einer der Ausnahmefälle gegeben ist, in denen der Verstoß gegen ein Verwertungsverbot einen sachlich-rechtlichen Fehler darstellt (BGHSt 25, 100/102 und 232/233; BGHSt 51, 285/286; KK/Kuckein § 337 Rn. 30; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 261 Rn. 38), kann letztlich dahinstehen. Denn eine unzutreffende Einordnung eines Rechtsbeschwerdeangriffs ist dann unbeachtlich, wenn sich aus der Begründungsschrift deutlich ergibt, welche Rüge gemeint ist (KK/Kuckein § 344 Rn. 20). Entscheiden...

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