Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeldverfahren. Betroffener. Betroffenenanhörung. Aussageverweigerungsrecht. Selbstbelastungsfreiheit. Belehrung. Schweigerecht. Polizei. Befragung. Vernehmung. Beweiserhebungsverbot. Beweisverwertungsverbot. Verfahrensrüge. informatorisch. Tatverdacht. Beurteilungsspielraum. nemo tenetur. Beweiswürdigung. Atemalkoholvortest. AAK-Messung. Aussagefreiheit. Verkehrsordnungswidrigkeit. Trunkenheitsfahrt. Verwertungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verletzung der Belehrungspflicht des Betroffenen nach § 163a IV 2 StPO i.V.m. § 136 I 2 StPO begründet auch im Bußgeldverfahren grundsätzlich ein Verwertungsverbot. (Rn. 8)

 

Normenkette

GG Art. 1, 2 Abs. 1; EMRK Art. 6; StVG §§ 24a, 25; StPO § 136 Abs. 1 S. 2, § 163a Abs. 4 S. 2, § 344 Abs. 2 S. 2; OWiG § 46 Abs. 1, §§ 55, 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 1, § 77b Abs. 1

 

Tatbestand

Wegen fahrlässigen Führens eines Kfz im Straßenverkehr mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr bzw. einer zu einer solchen AAK führenden Alkoholmenge im Körper (§ 24 a I, III StVG) verurteilte das AG den Betr. am 24.04.2018 zu einer Geldbuße von 500 € und ordnete gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 IIa 1 StVG an. Das AG hat seine Überzeugung davon, dass der im Zeitpunkt der AAK-Messung am 18.02.2017 mit dem Messgerät Dräger Alcotest 9510 eine AAK von 0,54 mg/l aufweisende Betr. am Tattag gegen 14.40 Uhr mit dem verfahrensgegenständlichen Pkw in H. gefahren ist, mit den Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten K. und L. begründet. Diese hätten den Betr. zwar nicht "fahren sehen", jedoch habe der Betr. gegenüber den Zeugen angegeben, "dass er mit dem Pkw gefahren sei." Mit seiner gegen das vorgenannte Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts, wobei er mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass das AG die Verurteilung auf die Aussagen der Zeugen K. und L. über seine Angaben bei seiner ersten Befragung beim Antreffen an der Wohnung gestützt habe, obwohl er vor der Befragung von den beiden Polizeibeamten nicht über sein Schweigerecht belehrt worden sei. Das Rechtsmittel führte zur Urteilsaushebung und Zurückverweisung des Sache an das AG.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde hat bereits mit der Verfahrensrüge Erfolg, das AG habe bei der Urteilsfindung rechtsfehlerhaft die Aussagen der Zeugen K. und L. zu den Angaben des Betr. im Rahmen seiner ersten Befragung beim Antreffen an der Wohnung verwertet, obwohl dieser als Betr. hätte vernommen und dementsprechend belehrt werden müssen (§§ 55, 46 I OWiG i.V.m. §§ 136 I 2, 163a IV 2 StPO).

1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Am 18.02.2017 gegen 14.40 Uhr teilte die Ehefrau des Betr. der Polizei telefonisch mit, dass ihr Ehemann alkoholisiert mit dem verfahrensgegenständlichen Pkw Audi A4 weggefahren und unterwegs sei; er wolle zu einem Getränkemarkt fahren. Nachdem "man sich zunächst auf wohnortnahe Getränkemärkte" konzentriert hatte, suchten die beiden Streifenbeamten und Zeugen die Wohnung des Betr. auf. Dort öffnete ihnen die Ehefrau, sodann kam der nahezu gleichzeitig mit der Polizei eingetroffene bzw. soeben erst nach Hause gekommene Betr. hinzu, bei dem - so der bei der Akte befindliche Aktenvermerk des POM K. vom 02.06.2017 - "deutlicher Alkoholgeruch wahrnehmbar war". Die Polizeibeamten oder einer von ihnen befragten den Betr., wo er herkomme und wo sich sein Auto befinde. Der Betr. beantwortete diese Fragen "in der Form", "dass er vom Getränkemarkt komme und sein Auto sodann in der Tiefgarage abgestellt habe". Im Anschluss hieran fanden ein Atemalkoholvortest und, nachdem der Betr. als Beschuldigter belehrt worden war, ab 15.26 Uhr die AAK-Messung mit dem Messgerät ,Dräger Alcotest 9510' statt. Um 15.34 Uhr erfolgte eine förmliche Betroffenenanhörung, in welcher der Betr. das Führen seines Pkws nach Alkoholgenuss einräumte. In der Hauptverhandlung vom 24.04.2018 wurden die Zeugen K. und L. insbesondere zu den Angaben vernommen, die der Betr. ihnen gegenüber beim Eintreffen an der Wohnadresse gemacht hatte. Ausweislich der Urteilsgründe bekundete der Zeuge K. u.a., dass der Wohnort des Betr. angefahren und an der Wohnadresse geklingelt worden sei. Die Türe sei durch die Ehefrau des Betr. geöffnet worden und der Betr. sei nach kurzer Zeit in Erscheinung getreten, wobei erkennbar gewesen sei, dass der Betr. soeben erst nach Hause gekommen sei. Sodann sei der Betr. befragt worden, wo er herkomme und wo sich sein Auto befinde. Dies habe der Betr. in der Form beantwortet, dass er vom Getränkemarkt komme und sein Auto sodann in der Tiefgarage abgestellt habe. Dabei habe der Zeuge K. keine Ausfallerscheinungen feststellen können. Ferner bekundete der Zeuge K. im Rahmen der Hauptverhandlung zunächst, dass er keinen Alkoholgeruch habe feststellen können, als er mit dem Betr. sprach. Auf Vorhalt des Vermerks vom 02.06.2017 war sich der Zeuge K....

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