Verfahrensgang

AG Kempten (Entscheidung vom 08.05.2006)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 8. Mai 2006 aufgehoben

  • II.

    Der Betroffene wird freigesprochen.

  • III.

    Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit der unerlaubten Nutzung eines Mobiltelefons (§§ 23 Abs. 1a StVO, 49 Abs. 1 Nr. 22) zu einer Geldbuße von 40,00 EUR verurteilt.

Zum Sachverhalt enthält das Urteil folgende Feststellungen:

"Der Betroffene fuhr am Vormittag des 19.12.2005 mit seinem PKW auf dem A-Ring in Richtung B-Platz. Hierbei handelt es sich um eine vierspurige Straße innerhalb geschlossener Ortschaft mit jeweils zwei Fahrspuren in einer Richtung. Am B-Platz hielt der Betroffene an der roten Lichtzeichenanlage als zweites oder drittes Fahrzeug an. In Fahrtrichtung gibt es dort drei Fahrspuren, der Betroffene stand auf der rechten Fahrspur, die ausschließlich geradeaus führt. Des Weiteren gibt es links daneben eine Geradeausspur, auf der auch nach links abgebogen werden kann in die K-Straße. Noch weiter daneben gibt es ausschließlich eine Linksabbiegerspur, die in die vierspurige K-Straße mündet.

Unwiderlegt machte der Betroffene seinen Motor aus und telefonierte sodann mit seinem Mobiltelefon.

Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt hätte der Betroffene erkennen können, dass es sich um ein verbotswidriges Telefonieren mit einem Mobiltelefon handelt."

Zur rechtlichen Würdigung ist ausgeführt:

"Der Betroffene war somit schuldig zu sprechen des fahrlässigen Benutzens eines Mobiltelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs gem. § 23 Abs. 1a, 49 StVO.

Zwar führt § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO aus, dass Satz 1 nicht gilt, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist. Diese Regelung gilt jedoch zur Überzeugung des Gerichts für den konkreten Fall nicht.

Die Begründung zur Änderungsverordnung führt insoweit aus, dass Satz 2 die Benutzung eine Mobiltelefons durch den Fahrzeugführer bei längerem Stillstand wie z.B. im Stau oder bei längerem Halt vor einer geschlossenen Bahnschranke weiter erlaubt. Im konkreten Fall befand sich der Betroffene an der verkehrsreichsten Kreuzung im Stadtgebiet K. in einer Verkehrssituation, die die ungeteilte Aufmerksamkeit des Kraftfahrzeugführers erfordert. Der Betroffene wusste nämlich nicht, wie lange bereits die Lichtzeichenanlage auf rot geschaltet ist. Diese konnte jederzeit auf grün umschalten. Nachdem der Betroffene sich auf der rechten von drei Fahrspuren befand und das zweite oder dritte Fahrzeug war, war im Falle des Umschaltens der Lichtzeichenanlage seine ungeteilte Aufmerksamkeit erforderlich, um den Anfahrvorgang durchzuführen. Nachdem sich aus der Begründung zur Änderungsverordnung ergibt, dass wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, dass durch die Benutzung eines Mobiltelefons insbesondere Fahrfehler wie das Übersehen von Verkehrszeichen oder das Nichteinhalten der Fahrspur vorkommen, ist im konkreten Fall genau der Schutzbereich der Norm eröffnet, den § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO vorsieht. An der Kreuzung mit Lichtzeichenanlage wie im konkreten Fall, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts deshalb gerade nicht um einen Ausnahmefall, den § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO vorsieht."

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die mit Beschluss des Einzelrichters vom 29.08.2006 gemäß § 80 Abs. 1 Nr.1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassene Rechtsbeschwerde ist begründet. Die vom Amtsgericht ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen rechtfertigen den Schuldspruch wegen unerlaubter Nutzung eines Mobiltelefons gemäß §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO i.V.m. § 24 StVG nicht.

Nach § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO ist dem Fahrzeugführer "die Benutzung eines Mobil - oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält." Gemäß § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO gilt dies jedoch nicht, "wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist."

1.

Zwar hat das Amtsgericht die den Tatbestand der §§ 23 Abs. 1a Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO erfüllenden Merkmale noch hinreichend festgestellt. Denn der Betroffene war zur Tatzeit Kraftfahrzeugführer im Sinne des § 23 StVO; er saß am Steuer und beherrschte die jeweiligen Betriebsvorgänge (Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 23 StVO Rn. 10). Nach den Urteilsfeststellungen "telefonierte" der Betroffene "sodann mit seinem Mobiltelefon" (Urteilsausfertigung S. 3 oben), weshalb er dieses im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO erster Halbsatz benutzt hat.

2.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht - das die vielfach wohl als Schutzbehauptung zu behandelnde Einlassung des Betroffenen (vgl. auch OLG Celle NJW 2006, 710/711) als unwiderlegt wertete - die ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge