Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhängung eines Fahrverbots wegen beharrlichen Pflichtenverstoßes trotz fehlender früherer ,erhöhter' Bußgeldahndungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Ahndung früherer Geschwindigkeitsüberschreitungen oder vergleichbarer Verkehrsverstöße mit einem "erhöhten" Bußgeld wird zwar in vielen Fällen die Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV nahe legen; sie ist jedoch nicht Voraussetzung für die Annahme von "Beharrlichkeit" i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG (Anschluss an BayObLG DAR 2004, 230 f. = VRS 106, 394 ff. = VerkMitt 2004, Nr. 40).

 

Verfahrensgang

AG Erlangen (Entscheidung vom 15.07.2009; Aktenzeichen 1 OWi 913 Js 143758/09)

 

Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 15. Juli 2009 wird als unbegründet verworfen.

II. Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat die Betroffene am 15.07.2009 wegen einer am 09.02.2009 fahrlässig begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um (mindestens) 30 km/h zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen sie - entsprechend dem Bußgeldbescheid vom 12.05.2009 - ein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG verbundenes Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Mit ihrer aufgrund der mit Verteidigerschriftsatz vom 06.07.2009 wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung (§ 67 Abs. 2 OWiG) nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Rechtsbeschwerde gegen das vorgenannte Urteil rügt die Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht hält die Rechtsbeschwerde ebenfalls für begründet und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das verhängte Fahrverbot entfällt. Insbesondere enthalte das Urteil keine tragbare Begründung dafür, weshalb aus der Sicht des Tatrichters in Abweichung von der in der BKatV zum Ausdruck kommenden Vorbewertung des Gesetzgebers "gleich in doppelter Hinsicht eine Verschärfung der Ahndung" angezeigt erscheine, nämlich neben der (erstmaligen) Erhöhung der Regelgeldbuße auch noch die Anordnung eines Fahrverbots.

II. Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt insbesondere im Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf:

1. Gegen die Betroffene wurden wegen zweier Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb bzw. innerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h (Tatzeit: 14.05.2007) sowie um 21 km/h (Tatzeit: 21.02.2008) am 28.06.2007 bzw. am 03.04.2008 jeweils (Regel-) Geldbußen in Höhe von 75 Euro und 50 Euro verhängt; Rechtskraft trat am 17.07.2007 und am 24.04.2008 ein.

Damit steht fest, dass die Betroffene in einem Zeitraum von weniger als 21 Monaten in drei Fällen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen, darunter in zwei Fällen jeweils deutlich über dem 'Richtwert' von 26 km/h (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV), in Erscheinung getreten ist, wobei seit Rechtskrafteintritt der letzten Vorahndung lediglich ein Zeitraum von rund 9 1/2 Monaten und seit Rechtskraft der ersten Vorahndung bis zur zweiten Geschwindigkeitsüberschreitung am 21.02.2009 von gut 7 Monaten vergangen ist.

2. Von Beharrlichkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Betroffenen subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (BGHSt 38, 231/234 f; BayObLGSt 2003, 132/133; st.Rspr. des Senats).

a) Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines - hier allein in Betracht kommenden - beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann im Einzelfall aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit auch bei einer Unterschreitung des Richtwertes von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen oder aber der früheren Geschwindigkeitsverstöße geboten sein (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. rechtsgrundsätzlich OLG Bamberg, Beschluss v. 04.10.2007 - 3 Ss OWi 1364/07 = NJW 2007 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = ZfSch 2007, 707 ff. = DAR 2008, 152 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 39 = VRR 2008, 36 f...

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