Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedeutung des Zeitmoments für die Annahme von 'Beharrlichkeit'

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bewertung eines mit einem Fahrverbot außerhalb eines Regelfalls zu ahndenden Pflichtenverstoßes als 'beharrlich' iSv. § 25 I 1 StVG kommt dem Zeitmoment entscheidende Bedeutung zu (Festhaltung u.a. an OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = zfs 2007, 707 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = VRR 2007, 318 f.; OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47; DAR 2011, 399 f. und OLG Bamberg DAR 2012, 152 ff.).

2. Zwar kann auch eine wiederholte verbotswidrige Benutzungen eines Mobil- oder Autotelefons im Einzelfall die Anordnung eines Fahrverbots wegen einer beharrlichen Pflichtenverletzung rechtfertigen, jedoch darf auch hierbei das Zeitmoment nicht aus den Augen verloren werden (Festhaltung u.a. an OLG Bamberg NJW 2007, 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = zfs 2007, 707 f. = VRR 2008, 36 f.).

 

Normenkette

StVG § 25 Abs. 1 S. 1; StVO § 5 Abs. 3 Nr. 2, § 23 Abs. 1a, § 49 Abs. 1; BKatV § 4 Abs. 2; StPO § 473 Abs. 3

 

Tatbestand

Das AG hat den Betr. am 23.08.2012 wegen einer als Führer eines Pkw mit Anhänger am 22.05.2012 fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des unzulässigen Überholens (§§ 5 III Nr. 2, 49 I Nr. 5 StVO i.V.m. Zeichen 276 mit Zusatzzeichen) zu einer Geldbuße von 140 Euro verurteilt sowie gegen den Betr. ein mit der Anordnung nach § 25 IIa StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt. Mit seiner aufgrund der wirksamen, nämlich schon mit Einlegung des Einspruchs erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führte zum Wegfall des Fahrverbots.

 

Entscheidungsgründe

I. Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich als erfolgreich, weil das AG zum Nachteil des Betr. zu.U.nrecht einen wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.d.. §§ 24, 25 I 1 [2. Alt.], 26 a StVG i.V.m. § 4 II Satz 2 BKatV gleichzusetzenden beharrlichen Pflichtenverstoß angenommen hat.

1. Von Beharrlichkeit i.S.d.. § 25 I 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Auch eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (BGHSt 38, 231/234 f; BayObLGSt 2003, 132/133 sowie st.Rspr. des Senats; zu den Voraussetzungen im Einzelnen rechtsgrundsätzlich OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = zfs 2007, 707 f. sowie OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = VRR 2007, 318 f. [Deutscher]; vgl. auch OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47; DAR 2011, 399 f. und zuletzt DAR 2012, 152 ff., jeweils m.w.N.).

a) Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines hier allein in Betracht kommenden beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls iSv. § 4 II 2 BKatV ist wegen der Vorahndungslage des Betr. angezeigt, wenn der (neuerliche) Verkehrsverstoß zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 I 1 StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV gleichzusetzen ist. Ungeachtet der schon angesichts des vom Betr. (allein) verfolgten Einspruchsziels denkbar knappen Ausführungen scheint auch das AG von diesem Maßstab jedenfalls zutreffend ausgegangen zu sein.

b) Insbesondere kommt dem Zeitmoment, wie sich § 4 II 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten (OLG Bamberg a.a.O.).

c) Der Begriff der Beharrlichkeit ist prinzipiell nicht nur losgelöst von der konkreten Schuldform zu bestimmen. Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzung eines Fahrverbots, darunter die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich im Sinne des § 25 I 1 StVG, ist auch unabhängig von dem gegebenenfalls auf einer späteren Stufe zu erörternden Eingreifen des Übermaßverbotes mit der Folge eines ausnahmsweisen Wegfalls des Fahrverbots zu beurteilen (OLG Bamberg a.a.O.).

2. Nach diesen Maßstäben kann hier anhand der seitens des AG seiner Rechtsfolgenbemessung zugrunde gelegten Vorahndungen des Betr. noch nicht von einem wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 I 1 StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV gleichzusetzenden Pflichtenverstoß ausgegangen werd...

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