Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinfachtes Unterhaltsverfahren - grober Verfahrensfehler

 

Leitsatz (amtlich)

Die fehlende Zustellung des Festsetzungsantrages und der unterlassene Hinweis auf die Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen gem. § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG stellen einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses führt.

 

Verfahrensgang

AG Kulmbach (Beschluss vom 06.10.2016; Aktenzeichen 54 FH 39/16)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Kulmbach vom 06.10.2016 (54 FH 39/16) aufgehoben.

2. Der Antrag des Antragstellers zu 2) vom 28.07.2016 auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren wird zurückgewiesen.

3. Im Übrigen wird das Verfahren an das AG - Familiengericht - Kulmbach zurückverwiesen.

4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 1) 43 % und der Antragsteller zu 2) 57 %.

5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.076,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die beiden Antragsteller sind die ehelich geborenen Kinder des Antragsgegners. Das Sorgerecht steht den Kindseltern auch nach zwischenzeitlicher Ehescheidung gemeinsam zu.

Mit Formularanträgen vom 28.07.2016 haben die beiden Antragsteller, vertreten durch das Landratsamt Kulmbach - Kreisjugendamt - als Beistand, jeweils die Festsetzung von Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes bzw. zweites Kind ab 01.08.2015 gegen den Antragsgegner beantragt. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Anträge am 10.08.2016 durch Einlegen in den zur vormaligen Wohnung des Antraggegners gehörenden Briefkasten unter der Anschrift K.-Straße ... in C. war der Antragsgegner bereits nach P. (H.-Straße ...) verzogen, wo er nach wie vor wohnhaft ist. Der von Antragsgegner eingerichtete Nachsendeantrag wurde nicht beachtet.

Mit Beschluss vom 06.10.2016 hat das AG antragsgemäß den Kindesunterhalt festgesetzt, da der Antragsgegner hiergegen - schon mangels Kenntnis vom Verfahren - keine Einwendungen erhoben hatte.

Gegen diesen ihm am 15.10.2016 unter seiner jetzigen Anschrift zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit am 28.10.2016 beim AG eingegangenem Anwaltsschreiben Beschwerde eingelegt. Er beantragt, den Festsetzungsbeschluss aufzuheben und macht hierfür geltend, dass ihm die Antragsschrift nicht zugestellt worden sei. Weiterhin sei der Antragsteller zu 2) seit dem 21.11.2016 nunmehr bei ihm wohnhaft. Letzteres wurde auch seitens des Landratsamts (Beistand) bestätigt.

Der Beistand hat angekündigt, nach Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses die ordnungsgemäße Zustellung des Antrages des Antragstellers zu 1) vom 28.07.2016 zu beantragen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, Zurückweisung des Festsetzungsantrags des Antragstellers zu 2) und im Übrigen zur Zurückverweisung des Verfahrens an das AG Kulmbach.

1. Der Beschluss ist schon deswegen aufzuheben, da es jeweils an der erforderlichen und ordnungsgemäßen Zustellung der Festsetzungsanträge gemäß § 251 Abs. 1 Satz 1 FamFG und infolgedessen jeweils am Hinweis gemäß § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG mangelt, dass über den Unterhalt ein Festsetzungsbeschluss ergehen kann, aus dem der Antragsteller die Zwangsvollstreckung betreiben kann, wenn der Antragsgegner nicht innerhalb eines Monats Einwendungen in der vorgeschriebenen Form erhebt. Erst mit Zustellung des Antrags beginnt die Monatsfrist des § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG zu laufen. Aus dieser Regelung ergibt sich weiterhin, dass vor Ablauf der Monatsfrist ein Festsetzungsbeschluss nicht ergehen darf. Mangels Zustellung des Antrages war daher die Festsetzung der Kindesunterhaltsbeträge mit der angefochtenen Entscheidung vom 06.10.2016 nicht zulässig. Diese fehlende Zustellung und der fehlende Hinweis auf die Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen stellt einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der auf die Beschwerde des Antragsgegners zur Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses führt (vgl. auch OLG Schleswig, Beschluss vom 03.03.2003, 10 UF 251/02 - Juris; Keidel, FamFG, § 251 Rnr. 5). Nur mit der Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses kann dem auf Kindesunterhalt in Anspruch genommenen ermöglicht werden, alle ihm zustehende Einwendungen im Festsetzungsverfahren geltend zu machen.

2. Der Antrag des Antragstellers zu 2) auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren ist jedoch zurückzuweisen, da der Antragsteller zu 2) nicht verfahrensfähig und auch nicht ordnungsgemäß vertreten, der Antrag auf Festsetzung von Kindesunterhalt somit unzulässig ist. Der Antragsteller zu 2) wohnt seit dem 21.11.2016 beim Antragsgegner und befindet sich in dessen Obhut. Damit ist zum einen die gesetzliche Vertretung der bis dahin betreuenden Kindsmutter für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB weggefallen, wie auch die Vertretung durch einen Beistan...

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