Leitsatz (amtlich)

Bei der Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe/Prozesskostenhilfe ist das vom Antragsteller bezogene Kindergeld in voller Höhe als sein Einkommen zu berücksichtigen, soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts des minderjährigen Kindes zu verwenden ist. Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ist die sozialrechtliche Beurteilung des Kindergeldes maßgebend.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bamberg (Beschluss vom 07.01.2013; Aktenzeichen 222 F 1661/12)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des AG - FamG - Bamberg vom 7.1.2013 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegnerin eine monatliche Ratenzahlungsverpflichtung aus dem Einkommen in Höhe von 30,00 EUR, beginnend am 1.4.2014 auferlegt wird.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors zurückgewiesen.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Mit Beschluss des AG - FamG - Bamberg vom 7.1.2013 wurde der Antragsgegnerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Zahlungen bewilligt.

Gegen diese Entscheidung legte der Bezirksrevisor bei dem LG Bamberg als Vertreter der Staatskasse mit Schreiben vom 18.3.2013 sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, der Antragsgegnerin eine monatliche Ratenzahlungsverpflichtung in Höhe von 45,00 EUR aufzuerlegen. Der Bezirksrevisor setzte hierbei das Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR in voller Höhe als Einkommen der Antragstellerin an.

Auf die Begründung der sofortigen Beschwerde nebst Berechnung wird Bezug genommen.

Mit Beschluss des AG - FamG - Bamberg vom 30.7.2013 wurde der sofortigen Beschwerde des Bezirksrevisors vom 18.3.20134 nicht abgeholfen und die sofortige Beschwerde dem OLG Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.

Das AG setzte bei seiner Einkommensberechnung im Nichtabhilfebeschluss das Kindergeld zur Hälfte, somit in Höhe von 92,00 EUR als Einkommen der Antragstellerin an.

Auf die Begründung des Nichtabhilfebeschlusses und die Berechnung wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 3.1.2014 wurde die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde der Staatskasse ist zulässig (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 3, 567-572 ZPO).

In der Sache ist die sofortige Beschwerde der Staatskasse teilweise begründet. Vorliegend sind die §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114, 115 ZPO in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung anzuwenden, § 40 EGZPO.

Der Bezirksrevisor hat das an die Antragstellerin gezahlte Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR für ein Kind zu Recht in vollem Umfang dem Einkommen der Antragstellerin hingerechnet.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Wertung des Sozialhilferechts auch auf das PKH-Recht anwendbar. Demzufolge wird Kindergeld, das die um Verfahrenskostenhilfe nachsuchende Partei bezieht, als deren Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO berücksichtigt, soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts eines minderjährigen Kindes zu verwenden ist, § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (BGH, Beschl. v. 26.1.2005 - XII ZB 234/03 - FamRZ 2005, 605). Danach ist das Kindergeld im vorliegenden Fall zum größten Teil Einkommen der Antragsgegnerin, denn der notwendige Lebensunterhalt des am xx.xx.2010 geborenen Kindes B., der mit dem derzeit geltenden Freibetrag von 263,00 EUR zu bemessen ist, wird durch die Unterhaltsleistungen des Kindsvaters in Höhe von 225,00 EUR bis auf einen Restbetrag von 38,00 EUR gedeckt. Das Kindergeld ist somit in Höhe von 146,00 EUR dem Einkommen der Antragsgegnerin hinzuzurechnen.

Dies entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur (Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 115 Rdnr. 2; Fischer in Musielak, ZPO, 10. Auflage, § 115 Rdnr. 4; Motzer in MünchKomm, ZPO, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 18; Reichling in Beckscher Online Kommentar, ZPO, Stand: 15.7.2013, § 115 Rdnr. 16).

Ob an dieser Rechtsprechung nach dem In-Kraft-Treten des neuen, ab 1.1.2008 geltenden Unterhaltsrechts festgehalten werden kann, ist in der Rechtsprechung der OLG umstritten:

  • Nach Auffassung des OLG Rostock (Beschl. v. 6.9.2012 - 10 WF 218/12 - FamRZ 2013, 648, zitiert bei Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 115 Rdnr. 19) kann an der oben zitierten Rechtsprechung des BGH seit dem In-Kraft-Treten des neuen Unterhaltsrechts nicht mehr festgehalten werden. Mit dem am 1.1.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 habe der Gesetzgeber zur Umsetzung einer sich aus der Rechtsprechung des BVerfG ergebenden Forderung die unterhaltsrechtliche Behandlung des Kindergeldes geändert und durch die Neuregelung zum Ausdruck gebracht, dass das Kind einen Anspruch auf die Auszahlung des Kindergeldes oder die Erbringung entsprechender Naturalleistungen gegen denjenigen Elternteil habe, der das Kindergeld von der Familienkasse erhält. Dieser Rechtsänderung habe sich der BGH in seiner Rechtsprechung inzwis...

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