Verfahrensgang

AG Hof (Entscheidung vom 01.08.2005)

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 01.08.2005 wegen einer am 16.11.2004 um 21.14 Uhr auf der Bundesautobahn A 9 bei Kilometer 270,5 bis 271 (Gemeindegebiet M.) in Fahrtrichtung Süden begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um (mindestens) 48 km/h zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Einstellung des Verfahrens.

Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat der Senat von Amts wegen zu überprüfen, ob ein Verfahrenshindernis besteht. Dies ist hier der Fall. Einer Fortsetzung des Verfahrens steht das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegen, weshalb das Verfahren vom Amtsgericht gemäß § 206 a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG einzustellen gewesen wäre. Der Senat holt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils diese Entscheidung nach (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO).

Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate (§§ 24, 26 Abs. 3 StVG). Die verfahrensgegenständliche Ordnungswidrigkeit wurde am 16.11.2004 begangen. Ohne eine verjährungsunterbrechende Handlung wäre die Tat demnach ab dem 16.02.2005 verjährt (zur Berechnung vgl. Göhler OWiG 13. Aufl. § 31 Rn. 16).

1. Wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend beanstandet, wurde die Verjährung vorliegend nicht durch den Erlass des Bußgeldbescheides der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt vom 02.12.2004 unterbrochen. Denn die Unterbrechenswirkung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG setzt in jedem Falle voraus, dass der Bußgeldbescheid wirksam zugestellt wird. Die Ersatzzustellung vom 06.12.2004 erfüllt diese Voraussetzungen jedoch nicht:

a) Gemäß § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 1 BayVwZVG in Verbindung mit § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO setzt eine wirksame Ersatzzustellung in der Wohnung voraus, dass "die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung ... nicht angetroffen" wird und das zuzustellende Schriftstück "in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner" übergeben wird. Diese Voraussetzungen waren bei der Zustellung vom 06.12.2004 jedoch nicht erfüllt, weil der Betroffene unter der Zustellanschrift tatsächlich keine Wohnung unterhielt (vgl. auch Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 37 Rn. 7 f.). Daran ändert nichts, dass der Betroffene möglicherweise selbst eine wesentliche Ursache für das Scheitern einer wirksamen Zustellung dadurch gesetzt hat, dass er anlässlich seiner unmittelbar nach Durchführung der Geschwindigkeitsmessung am 16.11.2004 erfolgten polizeilichen Anhörung unter der Rubrik "Pflichtangaben" auf der Rückseite des Erfassungsbelegs als "Wohnort" die Firmenanschrift im Anwesen N. angegeben hat, obwohl er tatsächlich im Anwesen K. wohnte. Denn ein gegebenenfalls rechtsmissbräuchliches Verhalten des Zustellungsadressaten ist nur unter den in § 179 ZPO normierten Voraussetzungen (Annahmeverweigerung) von Bedeutung. Die Heilung eines Zustellungsmangels durch nachweislichen Zugang (Art. 9 BayVwZVG) schließt § 51 Abs. 5 Satz 3 OWiG für die Zustellung des Bußgeldbescheids ausdrücklich aus; § 189 Satz 3 ZPO gilt nicht (OLG Koblenz StraFo 2005, 197/198).

b) Auch eine wirksame Ersatzzustellung des Bußgeldbescheids in die Geschäftsräume gemäß § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 1 BayVwZVG in Verbindung mit § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist nicht erfolgt. Zwar kann gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO an eine dort beschäftigte Person zugestellt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um Geschäftsräume gerade des Zustellungsadressaten handelt. Für in dem Erwerbsgeschäft lediglich tätige Personen kann ein solcher Geschäftsraum jedoch nicht Ort einer diese Personen persönlich betreffenden Ersatzzustellung sein (Zöller ZPO 25. Aufl. § 178 Rn. 15; Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 178 Rn. 15). Ist der Betroffene - wie hier - Geschäftsführer einer GmbH, gilt nichts anderes. Denn der Geschäftsführer einer GmbH ist regelmäßig (nur) Angestellter ("Gewerbegehilfe") der Gesellschaft und nicht selbst Gewerbetreibender; als solcher handelt der Geschäftsführer nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern im Namen und für Rechnung der GmbH (BayObLGSt 1985, 113/114 f.). Die Zustellung ist deshalb unwirksam, wenn der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Vertreter persönlich und nicht die juristische Person als solche betrifft (KK-Lampe OWiG 2. Aufl. § 51 Rn. 34).

c) Aufgrund der Unwirksamkeit der Zustellung wurde mit dem Erlass des Bußgeldbescheids am 02.12.2004 auch keine Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate (§ 26 Abs. 3 2. Halb...

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