Rz. 50

Auch wenn die Scheidung der Ehegatten und die güterrechtliche Auseinandersetzung nach dem 23.8.1977 – Tag des Außerkrafttretens dieses Abkommens in den Niederlanden[24] – stattfinden, ist für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe weiterhin auf das Haager Ehewirkungsabkommen von 1905 abzustellen, wenn die Ehe vor diesem Datum (23.8.1977) geschlossen worden ist.[25]

 

Rz. 51

Das Haager EhewirkungsAbk. von 1905 knüpft an die Staatsangehörigkeit des Mannes zur Zeit der Eheschließung an (Art. 2 Abs. 1) und geht von der Unwandelbarkeit aus. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten hat keinen Einfluss auf das anzuwendende Recht (Art. 2 Abs. 2). Das ganze Vermögen untersteht dem Heimatrecht des Mannes, ohne dass zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen zu unterscheiden ist. Eine Rechtswahl ist nach dem Abk. von 1905 nicht zulässig. Nur eine materiellrechtliche Rechtswahl steht den Ehegatten offen (Art. 5).

 

Rz. 52

Gemäß seinem Art. 10 ist das Haager EhewirkungsAbk. von 1905 nicht einschlägig, wenn das Recht eines Nichtmitgliedstaates anzuwenden ist. Da Art. 2 des Abk. von 1905 auf das Heimatrecht des Mannes abstellt, muss der Mann, soll das Abkommen Anwendung finden, daher zur Zeit der Eheschließung die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates haben. Eine Realitätsprüfung wird nicht durchgeführt.[26] Hat er eine doppelte Staatsangehörigkeit, ist auf die effektive Staatsangehörigkeit abzustellen. Eine Effektivitätsprüfung unterbleibt aber, wenn der Mann die Staatsangehörigkeit eines Mitglied- und eines Nichtmitgliedstaates hat, weil dann auf die Staatsangehörigkeit allein des Mitgliedstaates abzustellen ist.[27]

 

Rz. 53

Da die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Ehemannes wegen der anzustrebenden Gleichbehandlung von Mann und Frau heute als nicht mehr zeitgemäß gilt, hat die Rechtsprechung versucht, die Anwendung des Haager EhewirkungsAbk. von 1905 auf möglichst wenig Fälle zu beschränken. So hat der HR[28] im Rhodesië-Urteil als zusätzliche Voraussetzung für den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des Abk. von 1905 verlangt, dass die Ehe mit der Rechtssphäre eines anderen Mitgliedstaates verbunden sein muss, z.B. durch die Staatsangehörigkeit der Frau vor oder nach der Eheschließung oder durch den Heiratsort.

 

Beispiel:

Deutsch-niederländische Ehen, die vor dem 23.8.1977 geschlossen wurden, fallen unter den Anwendungsbereich des Haager EhewirkungsAbk. von 1905, da der Mann die deutsche (oder niederländische) Staatsangehörigkeit hat (Deutschland hat das Abk. von 1905 erst mit Wirkung zum 23.8.1987 gekündigt) und es eine Verbindung mit der Rechtssphäre eines anderen Mitgliedstaates gibt, sei es aufgrund der niederländischen (bzw. deutschen) Staatsangehörigkeit der Frau oder aufgrund des Ortes der Eheschließung in den Niederlanden oder in der Bundesrepublik. Es stellt sich die Frage, ob der niederländische Richter zu berücksichtigen hat, dass das BVerfG[29] zu Art. 15 EGBGB a.F. entschieden hat, dass die kollisionsrechtliche Bevorzugung des Mannes verfassungswidrig und rückwirkend nichtig ist und daher für die Zeit nach dem 1.4.1953 nicht mehr angewandt werden darf. Entsprechendes gilt für Art. 2 Haager EhewirkungsAbk. von 1905. In der niederländischen Rechtsprechung wird diese deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung bis heute verkannt und auf den Zeitpunkt der Kündigung des Abkommens durch Deutschland abgestellt. Angesichts der Tatsache, dass der Anwendungsbereich des Abk. von 1905 so eng wie möglich gehalten werden soll,[30] erscheint es mir angebracht, die Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung ab dem 1.4.1953 faktisch nicht mehr als Mitgliedstaat zu betrachten. Demnach sind die deutsche Staatsangehörigkeit eines Mannes, einer Frau oder der Heiratsort in der Bundesrepublik nicht mehr als Kriterien für eine Verbindung zu einem Mitgliedstaat zu betrachten.

 

Rz. 54

Die in der Chelouche/Van Leer-Entscheidung vom 10.12.1976[31] formulierte Anknüpfungsleiter kommt erst dann zur Anwendung, wenn das Haager EhewirkungsAbk. von 1905 und das Haager EhegüterstandsÜbk. von 1978 nicht einschlägig sind. Beim Aufbau der Anknüpfungsleiter folgt der HR[32] dem Unwandelbarkeitsprinzip. Um einen Statutenwechsel zu vermeiden, gilt daher der Tag der Eheschließung als maßgeblicher Anknüpfungszeitpunkt. Ausgangspunkt ist die Freiheit der Ehegatten, bei der Eheschließung zu bestimmen, welchem Recht ihr Ehegüterstand unterliegt. Da der HR von künftigen Ehegatten spricht, scheint es, als ob eine Rechtswahl nur vor und nicht während der Ehe getroffen werden kann. Die Art. 10:52 Abs. 3 a.F.[33] (jetzt Art. 22 EUGüVO), Art. 10:53 BW bestimmen jedoch ausdrücklich, dass die Ehegatten auch während der Ehe eine Rechtswahl treffen können.

 

Rz. 55

Bei fehlender Rechtswahl kommt die objektive Anknüpfungsleiter zum Tragen. Es gilt in folgender Rangfolge:

1. das gemeinsame Heimatrecht,
2. das Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihr erstes Ehedomizil begründet haben, und hilfsweise
3. das Recht, mit dem die Ehegatten auf ande...

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