Gesetzestext

 

(4) 1Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. 2Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. 3Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Es handelt sich um Bereichsausnahmen. Vorbild ist § 23 Abs. 1 AGBG, doch sind Änderungen eingetreten.

 

Rz. 2

Die in der Vorschrift genannten Bereiche werden von der EG-Verbraucherrichtlinie nicht tangiert (10. Erwägungsgrund). Im Übrigen sieht die Richtlinie Arbeitnehmer nicht als Verbraucher an, so wie überhaupt das Unionsrecht zwischen Verbraucherschutz und Arbeitnehmerschutz unterscheidet.[1] Die Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU vom 25.10.2011) hat daran nichts geändert (siehe § 305b BGB Rdn 52).

 

Rz. 3

Unerheblich ist, ob der Kunde Unternehmer oder Verbraucher ist.

[1] Staudinger/Schlosser, § 310 Rn 73.

B. Erb-, Familien- und Gesellschaftsrecht

I. Erbrechtliche Verträge

 

Rz. 4

Beispiele sind der Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB), der Erbverzichtsvertrag (§§ 2346 ff. BGB) und der Erbauseinandersetzungsvertrag unter Miterben (§§ 2042 ff. BGB). Zweifelhaft ist die Behandlung des Erbschaftskaufs.[2]

 

Rz. 5

Nicht von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind Verträge, wenn das schuldrechtliche Element überwiegt.[3] Nicht ausgenommen sind auch Verträge unter Lebenden auf den Todesfall.[4]

[2] UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rn 113.
[3] MüKo/Basedow, § 310 Rn 85.
[4] PWW/Berger, § 310 Rn 15.

II. Familienrechtliche Verträge

 

Rz. 6

Hier gilt grundsätzlich dasselbe. Familienrechtliche Verträge sind etwa Eheverträge oder Verträge, die sich auf die Regelung des Zugewinnausgleichs, der Unterhaltsansprüche oder des Versorgungsausgleichs beschränken. Bei Eheverträgen findet ersatzweise eine Kontrolle gemäß §§ 138, 242 BGB statt.[5]

[5] Grundlegend BGH FamRZ 2004, 601.

III. Gesellschaftsrechtliche Verträge

 

Rz. 7

Von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind alle Verträge zur Begründung einer Gesellschaft. Gesellschaften in diesem Sinne sind Handelsgesellschaften, die stille Gesellschaft und die BGB-Gesellschaft;[6] man wird auch Genossenschaften und eingetragene Vereine hierzu rechnen müssen.

 

Rz. 8

Von der Inhaltskontrolle ausgenommen ist weiter der Erwerb von Beteiligungen an solchen Gesellschaften. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Erwerb eine private Vermögensanlage bezweckt. Indessen findet sich Rechtsprechung, wonach für den Vertrag zum Erwerb einer Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft die §§ 307 ff. BGB gelten sollen.[7] Im Übrigen findet bei Gesellschaftsverträgen (Satzungen) von Publikumsgesellschaften auf der Grundlage von § 242 BGB eine ähnliche Inhaltskontrolle wie bei AGB statt.[8]

 

Rz. 9

Die Vorschrift gilt nicht für Austauschverträge,[9] insbesondere die Anstellungsverträge der Gesellschaftsorgane. Diese Verträge unterliegen also der Inhaltskontrolle.

[6] BGHZ 127, 176.
[7] KG WM 1999, 731, 733; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2004, 991, wenn dies zwecks privater Kapitalanlage geschieht.
[8] BGHZ 102, 172, 177; BGHZ 104, 50, 53; BGH NJW 2001, 1270, 1271; BGH ZIP 2009, 1008 Rn 6.
[9] MüKo/Basedow, § 310 Rn 90; Erman/Roloff, § 310 Rn 28; PWW/Berger, § 310 Rn 17.

C. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen

 

Rz. 10

Sie sind nach § 310 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 BGB von der Inhaltskontrolle völlig ausgenommen. Als Gründe werden die Tarifhoheit angeführt[10] oder ihre Gleichstellung mit Rechtsvorschriften in § 310 Abs. 4 S. 3 BGB.

 

Rz. 11

Rechtlich selbstständige Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die ihre Grundlage in den Bestimmungen über andere Verträge als über Arbeitsverträge haben, fallen von vornherein nicht unter § 310 Abs. 4 BGB; vielmehr gelten hierfür die §§ 305 bis 309 BGB unmittelbar,[11] so etwa für Miet-, Kauf- und Darlehensverträge mit Arbeitnehmern[12] sowie von diesen erklärte abstrakte Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse.[13] Die Vorschrift gilt auch nicht für die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien.[14]

 

Rz. 12

Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind auch dann von der Inhaltskontrolle ausgenommen, wenn sie durch Bezugnahme vollständig in den Einzelarbeitsvertrag inkorporiert worden sind.[15] Dies folgt aus § 310 Abs. 4 S. 3 BGB und rechtfertigt sich durch die Vermutung der inhaltlichen Angemessenheit der kollektivvertraglich ausgehandelten Regelungen.[16] Die Bezugnahmeklausel ist aber ihrerseits kontrollfähig, insbesondere im Hinblick auf ihre Transparenz.[17]

 

Rz. 13

Kontrollfähig bleiben dagegen einzelne Bestimmungen aus Tarifverträgen, wenn sie in den Arbeitsvertrag übernommen werden.[18] Die Vermutung der inhaltlichen Angemessenheit kann in diesem Fall nicht bestehen. Kommt es zur Inhaltskontrolle, so folgt aus § 310 Abs. 4 S. 3 BGB nicht, dass der Tarifvertrag den Maßstab dafür abgäbe.[19]

[10] Erman/Roloff, § 310 Rn 33.
[11] BAG NJW 2005, 3164, 3165.
[14] BAG ständig, zuletzt NZA 2010, 583.
[16] UBH/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 Rn 27.
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