Gesetzestext

 

(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.

(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

A. Allgemeines

I. Inhalt

 

Rz. 1

Die Vorschrift entspricht wörtlich § 6 AGBG. Sie regelt die Rechtsfolgen, wenn AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. Es bleibt dann grundsätzlich der Vertrag im Übrigen wirksam (Abs. 1). Die Lücke wird grundsätzlich durch das dispositive Recht ausgefüllt (Abs. 2), hilfsweise nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung (siehe unten Rdn 39 ff.).

 

Rz. 2

Abs. 3 enthält eine Regelung für den Fall, dass der dergestalt geänderte Vertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde; der Vertrag ist dann unwirksam. Er ist überdies auch dann unwirksam, wenn die Schließung der Lücke auf dem vorbezeichneten Wege nicht möglich ist und der Vertragstorso nicht ausreicht (siehe unten Rdn 51).

II. Gesetzgeberische Überlegungen

 

Rz. 3

§ 306 Abs. 1 BGB weicht von § 139 BGB ab. Dies kann als lex specialis dazu[1] oder schlicht als die Umkehr des dortigen Grundsatzes aufgefasst werden. Dies wurde schon vor dem AGBG so gesehen.[2]

 

Rz. 4

Indem die Vorschrift die aus der Unwirksamkeit der AGB resultierenden Rechtsfolgen beschränkt, erfüllt sie eine Schutzfunktion für den Kunden.[3] Der Kunde soll nicht den Bestand des ganzen Vertrags riskieren, wenn er sich gegen eine Formularklausel wendet.[4] Regelmäßig ist aber auch der Verwender an der Fortgeltung des Restvertrags interessiert,[5] was sich etwa aus den verbreiteten Rettungsklauseln in den AGB erschließt.[6] Insgesamt soll den Parteien nicht ein anderes Rechtsgeschäft aufgedrängt werden als das, das sie abgeschlossen haben.[7] Allen diesen Anliegen wird am ehesten Rechnung getragen, wenn sich die Rechtsfolgen aus der AGB-Kontrolle und den sonstigen irregulären Erscheinungen (siehe unten Rdn 8, 9, 12) auf die Nichteinbeziehung der AGB in den Vertrag beschränken.

[1] BGH NJW 1992, 896, 897; BGH NJW 1995, 2553, 2556; BGH NJW 2007, 3568, 3569.
[2] Etwa BGHZ 22, 90, 92 f.
[3] BGH WM 1992, 391, 392; BGH WM 1996, 436, 438; BGH WM 1996, 2018, 2020.
[4] BGH WM 1996, 2018, 2019 f.; WLP/Lindacher, § 306 Rn 1; Erman/Roloff, § 306 Rn 1.
[5] Erman/Roloff, § 306 Rn 1.
[6] MüKo/Basedow, § 306 Rn 2.
[7] Erman/Roloff, § 306 Rn 1.

B. Anwendungsbereich

 

Rz. 5

Die Vorschrift gilt auch im Verkehr mit Unternehmern. Sie gilt auch bei voll standardisierten Verbraucherverträgen i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB und für Einzelvertragsklauseln i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

 

Rz. 6

Eine Besonderheit besteht bei der Lebens- und der[8] privaten Krankenversicherung (§§ 164, 203 Abs. 4 VVG n.F.). Diese Vorschriften gestatten es dem Versicherer für den Fall, dass eine Klausel in seinen AVB durch höchstrichterliche Entscheidung oder bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden ist, sie durch eine neue Regelung zu ersetzen, wenn dies zur Fortführung des Vertrags notwendig ist oder wenn das Festhalten an dem Vertrag ohne neue Regelung für eine Vertragspartei auch unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Ein Treuhänder muss dabei anders als nach §§ 172 Abs. 2 und 178g VVG a.F.[9] nicht mehr mitwirken. § 306 Abs. 2 BGB behält hier aber in zweifacher Hinsicht Bedeutung: Zum einen gilt er für die Zeit bis zur Neuregelung[10] und ist deshalb bereits in dem Individualprozess anzuwenden, in dem eine Klausel in AVB letztinstanzlich für unwirksam erklärt wird. Zum anderen soll sich die Neuregelung am Maßstab des § 306 Abs. 2 BGB orientieren. Das bedeutet, dass vorrangig gesetzliche Vorschriften im Sinne einer konkreten Ersatzregelung in Betracht zu ziehen sind, hilfsweise ein ersatzloser Wegfall der Klausel zu erwägen und weiter hilfsweise zu prüfen ist, ob die Ersatzregelung nach den anerkannten Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung zulässiger Inhalt einer richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung wäre.[11] Zusätzlich[12] verlangt § 164 Abs. 1 S. 2 VVG für die Wirksamkeit der neuen Regelung, dass sie unter Wahrung des Vertragsziels die Belange der Versicherungsnehmer angemessen berücksichtigt. Das bedeutet etwa, dass eine inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klausel regelmäßig unzulässig ist.[13] Eine Unangemessenheit wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn die Neuregelung gegenüber der bei Vertragsschluss bestehenden Rechtslage zu einer Schlechterstellung führt; dagegen spricht es für die Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer, wenn durch die neue Regelung das bei Vertragsschluss vorhandene und ­aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel entfallene Äquivalenzverhältnis wiederhergestellt wird.[14] Eine Pflicht des Versicherers zur Ersetz...

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