Normenkette

§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 242 BGB

 

Kommentar

1. Die Verglasung eines Balkons (einer Loggia) wurde im vorliegenden Fall erneut als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums angesehen, die über ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht.

Ein EG-Eigentümer hatte seine Loggia durch ein 3,48 m langes und 1,3 m hohes, 3-flügeliges Kunststofffenster verschlossen, um sich vor allem vor Straßenlärm, Abgasen, Schmutz und Einbruchsgefahr zu schützen. Die Kosten beliefen sich auf DM 3.155,-; der Einbau wurde auch bauaufsichtlich genehmigt. Allerdings fehlte die Zustimmung der restlichen Eigentümer bzw. des Verwalters, sodass die Eigentümermehrheit in außerordentlicher Eigentümerversammlung die Entfernung der Balkonverkleidung beschloss. Die Beschlussanfechtung des betreffenden Eigentümers wurde in allen drei Instanzen zurückgewiesen.

Eine von den übrigen Eigentümern nicht hinzunehmende Beeinträchtigung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG könne nach verfestigter Senatsrechtsprechung auch in der nachteiligen Veränderung des architektonischen Gesamteindrucks der Wohnanlage bestehen, wobei die entsprechenden Feststellungen grundsätzlich der Tatrichter zu treffen und zu entscheiden habe. Die Zustimmung der übrigen Eigentümer zur hier vorgenommenen baulichen Veränderung wäre nur dann entbehrlich, wenn die Wohnungseigentümer durch die vorgenommene Maßnahme keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil erlitten. Ein solcher Nachteil (wie hier tatrichterlich ohne Ermessensfehler bestätigt) könne auch die nicht ganz unerhebliche nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage sein (BGHZ 73, 196/202; BGH, NJW 1992, 978/979 und BayObLG, WuM 1992, 88 m. w. N.). Dies sei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen.

Der weitergehenden Rechtsansicht, dass jede Änderung des architektonischen Erscheinungsbildes eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung sei (so OLG Zweibrücken, NJW-RR 1987, 1358 und OLGZ 1989, 181/182; wohl auch OLG Stuttgart, WEM 1980, 36), habe sich der entscheidende Senat nicht angeschlossen (vgl. BayObLG, WE 1992, 138/139; NJW-RR 1992, 150/151); diese Ansicht wäre nach Meinung des Senats auch mit der Rechtsprechung des BGH (wie vorerwähnt) nicht vereinbar.

Ein Wohnungseigentümer könne damit Anspruch auf Beseitigung einer zustimmungsbedürftigen baulichen Veränderung auch ohne ermächtigenden Beschluss der Gemeinschaft geltend machen. Die sachliche Rechtfertigung für den hier getroffenen Beseitigungsbeschluss und das rechtliche Interesse des Antragstellers an dessen Ungültigerklärung ergebe sich aber schon daraus, dass dem Antragsteller mit der Bestandskraft des Beschlusses alle Einwendungen gegen das Beseitigungsverlangen abgeschnitten wären (vgl. BayObLG vom 15. 2. 1984, DWE 1984, 62 und vom 2. 7. 1987, 2 Z 186/86).

2. Die Ungültigkeit des angefochtenen Eigentümerbeschlusses (auf Beseitigung) folge auch nicht aus dem Umstand, dass an den Fassaden bereits andere bauliche Veränderungen vorgenommen worden seien. Einmal seien diese hier nicht vergleichbar und zum anderen bestehe ein wesentlicher rechtlicher Unterschied zu der hier eigenmächtig vom Antragsteller vorgenommenen Balkonverglasung. Bei nicht genehmigten anderen baulichen Veränderungen stehe es dem Antragsteller selbstverständlich frei, seinerseits deren Rückgängigmachung zu fordern (vgl. BayObLG, ZMR 91, 444/445). Eine "Aufrechnung"baulicher Veränderungen gegeneinander gäbe es nicht.

Unverhältnismäßig hoch oder gar unzumutbar seien hier auch nicht die Kosten einer Beseitigung, zumal der Antragsteller das Risiko gekannt haben musste (verfestigte obergerichtliche Rechtsprechung). Eine Abwägung zwischen dem Nachteil für die übrigen Eigentümer und den Vorteilen, die ein Eigentümer durch eine bauliche Maßnahme erziele, finde ebenfalls nach der gesetzlichen Regelung nicht statt (BayObLG, WM 1992, 88; vgl. WE 92, 138 und OLG Zweibrücken NJW-RR 1987, 1358; einschränkend allein LG Kreuznach, DWE 84, 127 in Widerspruch zur vorgenannten Rechtsprechung). Für den Antragsteller hätte es im vorliegenden Fall auch andere Möglichkeiten gegeben, um die von ihm erstrebten Ziele zu erreichen oder ihnen nahe zu kommen. Ein Recht zur beliebigen Veränderung des Erscheinungsbildes der Wohnanlage stehe ihm nicht zu. Dabei müsse er sich auch entgegenhalten lassen, dass ihm die Lage und die Ausgestaltung seiner Wohnung bei deren Erwerb bekannt gewesen seien. Auf erhöhte Reparaturanfälligkeitsgesichtspunkte musste deshalb im vorliegenden Fall nicht mehr abgestellt werden.

3. Kostenentscheidung: Gerichtskosten und auch außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zulasten des Antragstellers!

4. Geschäftswert: DM 3.155,-.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 23.07.1992, 2Z BR 22/92= WM 10/92, 563)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

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