Leitsatz

Zur Frage, ob dem Mieter von Wohnraum ein Anspruch gegen den Vermieter auf Unterlassung des Betriebs einer Mobilfunksendeanlage zusteht, wenn die Anlage die in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht überschreitet.

 

Fakten:

Der Mieter einer Dachgeschosswohnung ist aufgrund einer Erkrankung bettlägerig und auf einen Herzschrittmacher angewiesen. Der Vermieter gestattete einem Mobilfunksendeanlagenbetreiber gegen ein Nutzungsentgelt, im Speicher und auf dem Dach des Hauses eine Mobilfunksendeanlage einzurichten. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erteilte hierfür 1999 und 2003 Standortbescheinigungen. Die gesetzlichen Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung sind eingehalten. Der Mieter verlangt, die Einrichtung und den Betrieb der Mobilfunksendeanlage zu unterlassen. Das Amtsgericht hatte dem Mieter Recht gegeben. Der BGH entscheidet letztinstanzlich für den Vermieter. Der Mieter hat keinen Anspruch auf Unterlassung des Betriebs der Mobilfunksendeanlage. Ein Anspruch lässt sich nicht mit der Verpflichtung des Vermieters begründen, dem Mieter die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Maßgebend für die Frage, ob die Wohnung eine vertragsgemäße Beschaffenheit aufweist, sind in erster Linie die vertraglichen Vereinbarungen. Fehlt eine vertragliche Vereinbarung über die Beschaffenheit der gemieteten Wohnung, wozu auch Einwirkungen durch Immissionen gehören können, ist die Einhaltung der einschlägigen technischen Normen geschuldet. Folglich weist eine Mietwohnung keinen Sachmangel auf, wenn eine in der Nähe gelegene Mobilfunksendeanlage die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschreitet. Der Mieter kann nicht einwenden, dass die wissenschaftliche Diskussion über die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren noch nicht abgeschlossen ist. Der Mieter kann keine bisher nicht berücksichtigte Forschungsergebnisse vorlegen, wonach die vom Verordnungsgeber festgelegten Grenzwerte unzureichend sind, weil sie nicht mehr dem heutigen Erkenntnisstand entsprechen. Ein Mietmangel kann auch nicht damit begründet werden, dass der Mieter dem "Restrisiko" einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt sei. Zwar kann nach der Verkehrsanschauung gegebenenfalls bereits die begründete Besorgnis einer Gesundheitsgefahr die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume zu Wohnzwecken beeinträchtigen. Dass die Gesundheit des Mieters durch den Betrieb der Mobilfunksendeanlage konkret gefährdet wird, kann nicht festgestellt werden.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 15.03.2006, VIII ZR 74/05

Fazit:

Mobilfunksendeanlagen bieten bei Mietern häufig Anlass zu panikartigen Reaktionen. Es werden gesundheitliche Beeinträchtigungen befürchtet, welche aber auch mangels ausreichender Forschungsergebnisse nicht belegt werden können. Die Skandinavier führen Großstudien zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch, welche noch nicht abgeschlossen sind. Die Rechtsprechung ist restriktiv und beruft sich auf die gesetzlichen Grenzwerte und verlangt eine konkret nachweisbare Gesundheitsgefährdung. Einen solchen Nachweis kann ein Mieter bei der jetzigen Forschungslage jedenfalls nicht führen.

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