1 Leitsatz

Ein "Nachrang" der Haftung des Bauträgers gegenüber dem Erwerber wird nicht dadurch begründet, dass im Vertrag der mögliche Durchgriff wegen Baumängeln auf Subunternehmer durch eine "Abtretung sicherungshalber" vorgesehen ist.

2 Normenkette

§ 9a Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K verlangt von Bauträger B Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung zu Händen des Verwalters i. H. v. 6.961,40 EUR brutto für unstreitige Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum (das Flachdach und im Flachdach integrierte Lichtkuppeln). B meint, K müsse sich an den Subunternehmer des B wenden. Im Bauträgervertrag heiße es wie folgt: "Der Haftungsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen den Veräußerer. Dieser tritt jedoch sicherungshalber alle ihm zustehenden Erfüllungs-, Haftungs-, Nacherfüllungs- und Schadensersatzansprüche an den Erwerber ab. Diese Abtretung wird jedoch erst wirksam, wenn der Veräußerer mit seinen Verpflichtungen im Verzug ist und ihnen trotz schriftlicher Aufforderung und angemessener Fristsetzung nicht nachkommt oder die Ansprüche gegen ihn nicht mehr bestehen."

4 Die Entscheidung

Das sieht das LG anders! K könne die Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum geltend machen und die Zahlung eines Kostenvorschusses an den Verwalter verlangen. Der einzelne Wohnungseigentümer sei zur selbstständigen, auch gerichtlichen Verfolgung der aus dem Vertragsverhältnis mit dem Veräußerer herrührenden, auf Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum gerichteten Ansprüche befugt. Er könne also – auch ohne Ermächtigungsbeschluss – von dem Veräußerer Nachbesserung, aber auch Erfüllung und unter den Voraussetzungen des § 637 Abs. 1 BGB Ersatz seiner Aufwendungen für die Mängelbeseitigung sowie nach § 637 Abs. 3 BGB einen Vorschuss auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten in voller Höhe verlangen. B's Einwand gehe ins Leere. Der Hauptunternehmer habe zwar das Verschulden des Nachunternehmers als seines Erfüllungsgehilfen zu vertreten, jedoch seien beide für ihre Gewährleistung nicht Gesamtschuldner des Bauherrn oder anderer Baubeteiligter. Der Nachunternehmer schulde seine Leistung allein dem Hauptunternehmer, nicht dem Bauherrn. Nach dem Bauträgervertrag richte sich der Haftungsanspruch konsequenterweise auch grundsätzlich gegen den B. Die von B eingewandte Klausel einer "Abtretung sicherungshalber" betreffe die Rechte des B gegenüber seinen Nachunternehmern, nicht die Vertragsbeziehungen und die sich daraus ergebenden Gewährleistungsrechte der Erwerber gegenüber ihm. Diese Klausel könne nicht bewirken, dass K's Anspruch gegenüber ihrer solventen Vertragspartei geschwächt werde. Es sei weder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer noch einem Erwerber zumutbar, sich durch den Bauträger auf einen solchen ungewissen (Klage-)Weg unter Hinweis auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse verweisen zu lassen.

Hinweis

  1. Im Fall geht es um die Durchsetzung von Mängelrechten gegenüber dem Bauträger. Wie an dieser Stelle zuletzt häufiger dargestellt, ist es nach Inkrafttreten der WEG-Reform unsicher geworden, ob der Verwalter an dieser Stelle zu einem Handeln berufen ist, ob nur die Wohnungseigentümer handeln können und ob eine "Vergemeinschaftung" als möglich erscheint (siehe dazu die umfassende Darstellung zu OLG Brandenburg, Beschluss v. 17.4.2018, 12 U 197/16).
  2. Bis zu einer Klärung sollte der Verwalter von folgenden Eckwerten ausgehen:

    • Nach § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG ist nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch den Verwalter, berechtigt, wegen eines Mangels am (künftigen) gemeinschaftlichen Eigentum gegenüber dem Bauträger die Minderung oder den kleinen Schadensersatz zu erklären. Hierüber muss der Verwalter die Wohnungseigentümer informieren. Es ist an ihm, das Entsprechende zu organisieren.
    • Das Recht, wegen eines Mangels am gemeinschaftlichen Eigentum den Bauträgervertrag zu kündigen oder den großen Schadensersatz zu erklären, hat jeder einzelne Wohnungseigentümer. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümer können auf dieses Recht nicht einwirken.
    • Die übrigen Mängelrechte aus dem Bauträgervertrag (Nacherfüllung, Kostenvorschuss, Aufwendungsersatz) stehen jedem Wohnungseigentümer zu. Diese Rechte können aber durch einen Beschluss, der auf § 19 Abs. 1 WEG beruht, "vergemeinschaftet" und zu einer Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemacht werden.
    • Nach der Vergemeinschaftung ist es Aufgabe des Verwalters, die Mängelrechte namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Bauträger durchzusetzen.

5 Entscheidung

LG Karlsruhe, Urteil v. 23.12.2020, 6 O 141/20

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