Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rücknahme der Berufung. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Auslegung als Feststellungsklage. wirksame Berufungsrücknahme. keine Beseitigung durch Widerruf oder Anfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann als Feststellungsklage auf weitere Anhängigkeit des Gerichtsverfahrens ausgelegt werden, wenn über die Erklärung der Berufungsrücknahme gestritten wird.

2. Ist eine Berufungsrücknahme nicht nichtig, kann ihre Wirksamkeit nicht durch Widerruf oder Anfechtung beseitigt werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.08.2020; Aktenzeichen B 2 U 118/20 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1949 geborene Kläger begehrt die Fortsetzung des Rechtsstreits L ..., in welchem er wiederholt wegen Verschlimmerung der Folgen eines Arbeitsunfalls Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über 50 vom Hundert (vH) begehrt hatte.

Der Kläger bezieht von der Beklagten wegen der Folgen eines am 24. Januar 1994 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente (inzwischen) nach einer MdE um 50 vH (Ausführungsbescheid vom 11. September 2001 zum Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt [LSG] vom 26. Juli 2001 - L ...).

Am 5. November 2002 beantragte der Kläger wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen bei der Beklagten die Neufeststellung der Rente, was diese - nach Einholung mehrerer Gutachten - mit Bescheid vom 24. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2003 ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Halle mit Urteil vom 4. Mai 2007 (S ...) ab; das nachfolgende Berufungsverfahren (L ...) blieb ohne Erfolg (Urteil vom 23. März 2011).

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2012 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Verschlimmerungsantrag, dem diese mit Bescheid vom 6. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 mangels wesentlicher Verschlimmerung der Unfallfolgen nicht stattgab. Die hiergegen erhobene Klage wies das SG mit Urteil vom 24. April 2017 ab.

Gegen das ihm am 4. Mai 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im selben Monat beim LSG Berufung eingelegt (Verfahren L ...).

Der Senat hat Dr. K. mit der Erstellung des unfallchirurgischen Gutachtens vom 16. Januar 2019 betraut.

Mit Bescheid vom 7. März 2019 hat die Beklagte den mit Schreiben vom 24. November 2017 gestellten Antrag des Klägers auf Änderung des Bescheides vom 26. Juli 2001 abgelehnt. Zugleich hat sie eine Rücknahme des Bescheides vom 6. August 2013 abgelehnt. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers ist erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2019).

Im Termin der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2020 hat der Vorsitzende den Kläger laut Sitzungsprotokoll darauf hingewiesen, dass die von ihm angesprochenen Punkte der Sache nach Gegenstand des bereits anhängigen Überprüfungsverfahrens (L ...) sein dürften, jedenfalls keine Veränderung im Sinne des vorliegend maßgeblichen § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - darstellen. Daraufhin hat der Kläger erklärt: "Ich nehme die Berufung im vorliegenden Verfahren zurück und betreibe das andere Verfahren weiter." Diese Erklärung ist ihm laut vorgespielt und vom Kläger daraufhin genehmigt worden.

Am 10. März 2020 ist beim Senat das Schreiben des Klägers vom 7. März 2020 eingegangen, wonach dieser seine Berufungsrücknahme irrtümlich erklärt habe. Er sei davon ausgegangen, die Rücknahmeerklärung habe sich auf das Parallelverfahren L ... bezogen (das hinsichtlich des streitbefangenen Umbaus der Dusche im Wohnhaus des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2020 durch Teilvergleich und im Übrigen durch Urteil vom selben Tag beendet worden ist). Mit Schreiben vom 28. März sowie 3. und 7. Mai 2020 hat der Kläger auf der Fortsetzung des Verfahrens L ... bestanden.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit L ... noch anhängig ist, das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 sowie der Fassung des Bescheides vom 7. März 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. Januar 1994 vom 30. September 2013 an Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 60 vH zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Verfahren L ... sei durch wirksame Berufungsrücknahme erledigt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats.

 

Entscheidungsgründe

Die Feststellung...

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