Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwerrentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 303 SGB 6. überwiegender Unterhaltbeitrag im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung eines Anspruchs auf Witwerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts ist der letzte wirtschaftliche Dauerzustand auch dann rückwirkend vom Tod der Versicherten an zu errechnen, wenn dem Tod eine Zeit der Erkrankung mit einer dadurch verursachten Verschlechterung der Unterhaltslage vorausgegangen ist (vgl BSG vom 1.2.1984 - 5b RJ 56/83 = SozR 2200 § 1266 Nr 23).

2. Überwiegend bestritten hat die Versicherte den Unterhalt dann, wenn ihr Unterhaltsbeitrag während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands vor ihrem Tod mehr als die Hälfte des gesamten Familienunterhalts ausgemacht hat (vgl BSG vom 16.3.1989 - 4/1 RA 17/87 = juris Rdnr 15).

3. Hat die Versicherte mit ihrem Einkommen zwar mehr verdient als der Witwer, aber mit ihrem Verdienst nicht über die Hälfte des Unterhaltsbedarfs der Familie gedeckt, so ist nach §§ 46 Abs 3, 303 S 1 SGB 6 ein Anspruch des überlebenden (hier: wiederverheirateten) Ehegatten auf Gewährung von Witwerrente (hier: nach dem vorletzten Ehegatten) ausgeschlossen.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. Dezember 2015 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Witwerrente nach der vorletzten Ehegattin.

Der Kläger heiratete 1967 die Versicherte H. (im Folgenden Versicherte). Mit im Haushalt lebte deren 1962 geborene Tochter. Die Versicherte verstarb am 22. Juli 1972 nach einer Gallensteinoperation. Nach einer Auskunft der Deutschen Bahn AG vom 7. Februar 2000 verdiente sie als Sachbearbeiterin bei der Deutschen Reichsbahn im Jahre 1971 insgesamt 6.645,59 M brutto. Hierbei fielen zehn Arbeitsausfalltage an. In der Zeit vom 1. Januar bis 21. Juli 1972 belief sich ihr Verdienst auf 3.323,85 M brutto in der gleichen Tätigkeit. Sie war in dieser Zeit an 28 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (im Folgenden: SV-Ausweis) wurde sie vom 3. bis 22. Juli 1972 stationär im Krankenhaus behandelt. Verdienstnachweise für 1971 und 1972 enthält der SV-Ausweis nicht.

Der Kläger war ausweislich des SV-Ausweises von 1969 bis 1973 als Betriebsstellenleiter bei der Volkseigenen Handelsorganisation (HO) H. beschäftigt. Er erzielte ausweislich des von der D. GmbH übersendeten "Lohn- und Gehaltskonto 1970" in den Monaten Dezember 1969 bis November 1970 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 8.724,35 M. Für die Jahre 1971 und 1972 waren dort keine Lohnkonten mehr vorhanden. Ausweislich des SV-Ausweises erzielte der Kläger im Jahr 1971 ein sozialversicherungspflichtiges Bruttoeinkommen in Höhe von 7.090,15 M und im Jahr 1972 in Höhe von 6.999,98 M. Der SV-Ausweis enthält eine Eintragung, wonach er 1972 13 krankheitsbedingte Ausfalltage (20. Juli bis 1. August) hatte.

Nach einer vom Kläger vorformulierten und vom Vater der Versicherten, S., am 31. Juli 2000 eigenhändig unterschriebenen Erklärung habe das Kind der Versicherten einen Unterhalt in Höhe von 35 M/Monat vom leiblichen Vater sowie Kindergeld in Höhe von 20 M/Monat erhalten. Er, der Vater, habe der Versicherten eine Unterstützung in Höhe von 70 M bis 80 M/Monat in Form eines Mieterlasses, der Übernahme der Energiekosten sowie sonstiger Zuwendungen als Gegenleistung für die Pflege der Mutter und die Hilfe im Haushalt gewährt. Der Kläger selbst bezifferte diese Zuwendung mit 70 M/Monat. Er gab an, die Versicherte habe vom Arbeitgeber Freifahrten für die Familie mit der Deutschen Reichsbahn im Wert von 50 M/Monat erhalten.

Im März 1973 heiratete der Kläger erneut. Diese Ehe wurde 1983 geschieden.

Unter dem 25. Januar 2000 beantragte der Kläger eine Hinterbliebenenrente nach der Versicherten. Hierbei gab er an, sie sei zuletzt in die Lohngruppe 8 eingestuft gewesen und habe mehr verdient als er. Der Kläger behauptete, von Dezember 1971 bis 1973 in einer kleineren Verkaufsfiliale eingesetzt gewesen zu sein. Er habe nur noch 455 M/Monat brutto verdient und geringere Prämien erhalten.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2001 ab. Die Versicherte habe nicht den überwiegenden Familienunterhalt bestritten.

Im nachfolgenden Klageverfahren wies das LSG mit Urteil vom 26. Januar 2006 (L 1 RA 231/03) die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts Magdeburg zurück. Im Wesentlichen führte es zur Begründung aus, bei der Feststellung der Höhe des Verdienstes des Klägers im Zeitraum vom 23. Juli 1971 bis 22. Juli 1972 sei auf das 1970 erzielte Gehalt abzustellen. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er 1971 und 1972 in eine kleinere Filiale versetzt und weniger verdient habe....

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